Seit 35 Jahren verwandelt sich eine Düsseldorferin regelmäßig in die Kunstfigur Käthe Köstlich. Was passiert, wenn die plötzlich nicht mehr auftreten darf?
Die Gäste einer Hochzeit waren die letzten, die Käthe Köstlich gesehen haben. Im Juli 2020 sang sie ein paar Lieder auf der Feier eines befreundeten Pärchens. Das Virus war damals, wenn schon nicht in der Lunge, so doch zumindest in den Köpfen der Leute. Der letzte öffentliche Auftritt mit vielen Menschen und wenig Abstand lag da bereits fünf Monate zurück. Altweiber. Das ist schon so lange her, dass Köstlich nicht mal mehr weiß, wo genau. Neuss? Kaarst? Sie sang und moderierte. Manch einer ahnte bereits, dass die Fastenzeit diesmal viel länger dauern sollte.
Wer in diesen Tagen, die nur noch unter „in diesen Zeiten“ firmieren, die Kunstfigur Käthe Köstlich erleben möchte, muss ins Internet gehen. Bloß hilft das kaum weiter. Nicht nur, weil die Youtube-Clips locker vier bis neun Jahre alt sind, sondern auch, weil Köstlich mittlerweile 70 Kilogramm weniger wiegt. Sowieso ist sie keine Figur, deren Reiz sich über Bildschirm und Konserve überträgt. Zu sehen ist eine stark geschminkte, große Frau, Typ Diva, mit wechselnden Perücken und XXL-Outfits, in die man auch Geschenke oder große Schokoeier einpacken könnte. Sie steht auf Bühnen, covert ABBA oder singt über die Unnötigkeit von Sixpacks, textsicher, nicht immer stimmsicher. Sie lässt sich von Lokalfernsehmoderatoren interviewen. Ein Clip zeigt sie bei dem mühevollen Versuch, über eine Leiter in eine Badewanne zu steigen, die auf einer Holzplattform steht. Sie trägt dabei einen Badeanzug, darüber ein Handtuch. Aber selbst in diesen eher mit dem Smartphone gefilmten als professionell aufgezeichneten Auftritten wird klar: Käthe Köstlich ist eine Frau, die sich nicht beirren lässt. Selbst an der Grenze von Travestie und Trash nicht.
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