In ihrer letzten Saison als A-Jugendliche wollten Marcel Kretschmer und Luca Jerz zeigen, dass sie das Zeug zum Fußballprofi haben. Aber wie soll man sich in einer Saison empfehlen, die ausfällt?
Das Foto, das Marcel Kretschmer am 25. Juli 2020 auf seinem Instagram-Kanal veröffentlicht, lässt keinen Zweifel. Mit diesem 18-Jährigen, der im Trikot des KFC Uerdingen auf der Tribüne des Grotenburg-Stadions steht, ist unbedingt zu rechnen. Die Hände hat Marcel hinter dem Rücken verschränkt. Das Kinn hält er oben. Sein Blick ist ernst bis herausfordernd. Der Offensivspieler steht vor dem letzten Jahr in der A-Jugend. In dem will er dem KFC und anderen Vereinen zeigen, dass er zum Profi taugt. „Nächste Saison wird abgerissen“, kommentiert der Co-Trainer der B-Jugend sein Foto. Marcels Antwort: „Das auf jeden Fall“. Abgerissen, das heißt, es mal so richtig krachen zu lassen. Doch die Saison wird ganz anders abgerissen. Wegen Corona bestreitet die A-Jugend des KFC kein einziges Meisterschaftsspiel in der Niederrheinliga Gruppe 1. Erst pausiert der Betrieb auf unbestimmte Zeit, dann wird er nicht wieder aufgenommen.
Beklagenswert ist es für alle Kinder und Jugendlichen, die in der Saison 20/21 kaum Fußball im Verein spielen. Schwierig ist es für die A-Jugendlichen, die sich noch entwickeln wollen, um im Jahr darauf den Sprung in ein Herrenteam zu schaffen. Eine Katastrophe ist es für jene Talente unter ihnen, die als Erwachsene nicht bloß ein wenig in der Freizeit kicken wollen, sondern das Potential haben, Berufsfußballer zu werden. „Es gibt viele wichtige Phasen für einen Jugendspieler, aber im letzten A-Jugend-Jahr werden die Entscheidungen getroffen“, sagt Patrick Schneider, Jugendleiter des KFC. „Auf welchem Niveau lande ich mit meiner zehn- bis zwölfjährigen Ausbildung? Kann ich mithalten? In dem Jahr werden sie noch mehr zum Mann. Sie müssen als Altjahrgang eine Führungsrolle übernehmen.“
Nicht nur Marcel steht im Herbst 2020 vor der kaum zu lösenden Aufgabe, auf sich aufmerksam zu machen, ohne ein Spiel bestreiten zu dürfen. Auch Luca Jerz, ein mit mächtigen Oberschenkeln ausgestatteter Innenverteidiger aus der A-Jugend des Liga-Konkurrenten VfR Fischeln, möchte mehr, als sich für das Landesliga-Team der Herren zu empfehlen. Beide wurden von ihrem Trainer vor der Saison zum Kapitän ernannt, da fällt man schon vor Anpfiff auf, vielleicht auch den Scouts auf der Tribüne. Aber was hilft es, wenn keine Spiele stattfinden? Der VfR Fischeln trägt immerhin zwei Liga-Partien aus, die letzte am 25. Oktober. Wie der KFC hatte sich die Mannschaft große Chancen auf den Aufstieg in die Juniorenbundesliga West ausgerechnet.
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