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Mindesttempo 100 auf Autobahnen: Macht das auch in Deutschland Sinn?

Keine Laster auf der Überholspur: Die Schweiz will mit einem neuen Mindesttempo von 100 km/h für besseren Verkehrsfluss sorgen. Ein Modell für Deutschland? Experten sind skeptisch.


Von Sascha Gorhau


Es klingt spektakulär: Wer nicht mindestens 100 km/h schnell ist, darf von 2016 an nicht mehr die linke Spur auf Autobahnen in der Schweiz nutzen. Deutsche Politiker nutzen die Vorlage und bringen das Thema auch hierzulande auf die Agenda: Der Vorsitzende des Verkehrsausschusses, Martin Burkert (SPD), warf in der Tageszeitung Die Welt die Frage auf, "ob wir ein Mindesttempo von 100 km/h auf der linken Spur bei dreispurigen Autobahnen einführen können". Er habe den Eindruck, "dass sich viele Pkw-Fahrer in Deutschland ein Überholverbot für Lkw auf deutschen Autobahnen wünschen" würden.


Autofahrer werden in vielen europäischen Ländern auf Autobahnen zur Kasse gebeten. Die Systeme sind unterschiedlich. Einige Beispiele:

Bei genauem Betrachten entpuppt sich die neue Regel in der Schweiz als weit weniger aufsehenerregend, als sie auf den ersten Blick erscheinen mag. Denn schon bisher durften dort nur Fahrzeuge die linke Spur nutzen, die mindestens 80 km/h schnell fahren können. Die Neuregelung bedeutet also nicht, dass Nutzer der linken Spur tatsächlich mindestens 100 km/h fahren müssen - sondern theoretisch dazu in der Lage sein müssen.


Schweiz: Mindesttempo soll Verkehrsfluss verbessern

Der Gedanke hinter der Entscheidung des Eidgenössischen Bundesrats ist die Verbesserung des Verkehrsflusses. Konkret sollen Güterverkehr, Reisebusse und ausladende Reisemobile die linke Spur nicht blockieren. Das macht in der Schweiz durchaus Sinn. Die Autobahnen des Alpenstaates haben etliche Steigungen, zudem ist der Anteil des Güterverkehrs durch den Charakter der Schweiz als Transitland hoch.


Kommt das Mindesttempo nun auch nach Deutschland? Muss es gar nicht, denn es existiert bereits. Grundsätzlich dürfen nur Fahrzeuge mit einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h oder mehr eine Autobahn benutzen. Und auch ein Mindesttempo auf einzelnen Fahrspuren ist längst Praxis. Blaue Schilder mit weißer Schrift zeigen es auf Autobahnen an und sollen so beispielsweise an Steigungen zeitintensive Überholvorgänge von Lkw unterbinden.


Deutschland: Richtgeschwindigkeit 130 km/h

„Ein grundsätzliches Mindesttempo wäre in Deutschland sehr schwierig umzusetzen," sagt Constantin Hack, Pressesprecher des Auto Club Europa (ACE). Dichter Verkehr oder widrige Witterung bremsen die Geschwindigkeit auf Autobahnen oft auf deutlich niedrigere Tempi als 100 km/h. Sind Autofahrer in solchen Situationen schneller unterwegs, so verletzten sie eine der Grundregeln der Straßenverkehrordnung (StVo), nämlich die Verpflichtung zur Einhaltung einer angebrachten Geschwindigkeit.


In Frankreich muss jeder Autofahrer einen Alkoholtest im Auto mitführen. Auch mindestens eine Warnweste muss im Gepäck sein. Auf französischen Autobahnen darf man in der Regel 130 Stundenkilometer fahren. Bei Regen sind aber nur 110 km/h erlaubt, Fahranfänger müssen 20km/h langsamer fahren.

Aktuell gilt in Deutschland ohnehin eine Richtgeschwindigkeit 130 km/h. Wer langsamer auf der Autobahn unterwegs ist, muss dafür einen triftigen Grund haben. Ansonsten kann eine Unterschreitung der Tempovorgabe auch als Nötigung ausgelegt werden.

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