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Amazon Dating: US-Künstler starten täuschend echte Internetseite - WELT

Mit Lieferung an die Haustür und Kundenbewertungen: Der vermeintliche Dating-Service von Amazon sieht täuschend echt aus. Schon für 4,99 Euro können Kunden dort ein Rendezvous bestellen. Warum eigentlich nicht?


Der aktuelle Bestseller ist Amy, 29 Jahre. Kostenpunkt: 59,99 Dollar, exklusiv für Prime-Mitglieder. Das Versprechen: Lieferung innerhalb einer Stunde bis vor die Haustür, kostenfreier Rückversand möglich. Bisher gibt es über 4900 zufriedene Nutzer.

So jedenfalls wird Amy auf einer Internetseite angeboten, die wie eine täuschend echte Kopie der Homepage des Online-Versandhändlers Amazon aussieht. Der potenzielle Kunde kann Amys Größe wählen, ihre braune Haarfarbe hingegen kann nicht geändert werden.

Glaubt man der Beschreibung, dann hat die Dame wahlweise nette Worte im Gepäck, physische Berührungen oder auch Geschenke. Und dabei soll Amy weder eine Puppe noch ein Roboter sein - sondern ein echter Mensch.


So wird Amy zumindest auf „ AmazonDating.co " angepriesen - einem Portal, auf dem sich Kunden Verabredungen kaufen können, passend zum baldigen Valentinstag. Doch wer sich dort lange genug umschaut, dem wird klar: Hier geht es weder um Rotlicht-Geschäfte noch um echte Rendezvous.


Denn die Website ist zwar im identischen Design gehalten und bietet exakt die selbe Benutzererfahrung wie der „echte" Internetgigant, ist aber nur eine Parodie des US-amerikanischen Kreativ-Duos Ani Acopian und Suzy Shinn in Zusammenarbeit mit der Softwarefirma Thinko. Schon in der Vergangenheit war das Team durch satirische Webseiten aufgefallen.


Doch wie abwegig ist die Idee wirklich, dass nach Tinder und Co. nun Internetkonzerne und große soziale Netzwerke in das Geschäft mit den Verabredungen einsteigen? Amazon begann seinen unternehmerischen Erfolg mit dem Verkauf von Büchern und bietet seinen Kunden heute alle möglichen Produkte an. Entsprechend groß ist das Wissen über die Verbraucher. Warum sollte der Internetriese nun also nicht auch noch ins Dating-Geschäft einsteigen?


Der Wissenschaftler Michal Kosinski hat mithilfe eines Algorithmus nachgewiesen, dass man bereits mit nur 70 Likes auf Facebook so viel über den Nutzer erfährt, wie sonst nur dessen Freunde wissen. Über das Verhalten lassen sich Persönlichkeitsprofile entwickeln, die den Onlinehändlern dabei helfen, maßgeschneiderte Angebote bereitzustellen.


Auch Amazon kann viele nützliche Daten sammeln, nicht nur über Kaufentscheidungen, Wunschlisten oder seinen Videodienst Prime, sondern auch über seinen Sprachassistenten Alexa. „Durch den Mitschnitt von Gesprächen ist das Profiling noch genauer, das wiederum führt zu einer genaueren Vorstellung, welcher Partner passen würde", sagt Iris Lorscheid, Professorin für Digital Business und Data Science in Hamburg.


Dem sogenannten Homophily-Konzept zufolge gingen Menschen mit dem gleichen Erfahrungshorizont oder derselben Herkunft einfacher eine Verbindung ein. Die daraus entstehende Beziehung wären außerdem stabiler. Daten könnten im Zweifel also besser prognostizieren, welcher Partner passt, als der Mensch es selbst kann. „Das muss man aber auch kritisch sehen. Wenn nur ähnliche Menschen zusammenkommen, fördern wir homogene Gesellschaftsgruppen", sagt Lorscheid.


Martin Spann, Professor am Institut für E-Commerce und Digitale Märkte der LMU München, sieht den großen Vorteil Amazons in der bestehenden Kundenbeziehung. Mit über 40 Millionen Nutzern allein in Deutschland muss der Onlinehändler nicht erst noch mit aufwendiger Akquise beginnen. An das Konzept von AmazonDating glaubt Spann aber nicht: „Amazon hätte zwar Informationen über die Kaufentscheidungen der Nutzer, ob sie aber als Basis für einen Online-Dating-Service ausreichen, bezweifle ich."



AmazonDating mag eine Parodie sein. Doch dass große Techfirmen durchaus auch Informationen über das Liebesleben ihrer Nutzer sammeln, zeigt sich beispielsweise bei Facebooks neuem Dating-Dienst. Seit September vergangenen Jahres können sich volljährige Nutzer in den USA ein gesondertes Profil für die Verabredungssuche anlegen.

Im noch jungen Jahr 2020 soll der Dienst auch in Deutschland starten. Dann können Facebook-Nutzer ein separates Profil erstellen und anderen Nutzern ihre Zuneigung offenbaren. Aufgrund gemeinsamer Interessen, Aktivitäten und Biografien schlägt der Algorithmus des Netzwerks passende Kandidaten vor. Gleichzeitig soll die App so weit wie möglich die Privatsphäre der Nutzer wahren.


Spann kann sich vorstellen, dass der Dienst erfolgreich wird. „Der Kundenkontakt bei Facebook ist mit über eineinhalb Milliarden Menschen täglich noch größer. Der Vorteil gegenüber Amazon ist, dass man Facebook wegen der sozialen Kontakte nutzt. Der Gedankensprung, die App auch zum Dating zu nutzen, ist naheliegender als bei Amazon."

Datenexpertin Lorscheid empfindet Amazon allerdings auch in gewisser Weise als Community, denn der Dienst lebe von den Bewertungen der Nutzer. „Würde Amazon einen Online-Dating-Service anbieten würde es den eigenen Nutzer noch mehr in den Fokus rücken", sagt Lorscheid.


Das Künstlerduo Acopian und Shinn der satirischen Website äußerte sich inzwischen gegenüber dem Online-Medium „ Daily Dot " zum vermeintlichen Amazon-Service. Inspiriert worden seien sie vom aktuellen Online-Dating-Trend und der zunehmenden Netzkultur. Denn dort laute die Devise: Sobald man etwas wolle, sei es nur das Beste und am liebsten sofort. AmazonDating setze diesen Anspruch nun auch für Rendezvous um.


Insbesondere die Links im Menü dürften die Nutzer amüsieren. Klickt man auf „Hilfe", führt der Link zu einem Interneteintrag, der erklärt, wie die Haken eines BHs aufgemacht werden. Der Link von „Deine letzte Beziehung" führt zum Britney-Spears-Song „Toxic" auf YouTube, und unter „Rechtliches" wird durch ein Dokument sogar „Ghosting" der Dates ausgeschlossen - also der Kontaktabbruch ohne Vorwarnung oder Erklärung.

Führt man die Bestellung tatsächlich durch, erscheint eine Bestätigung inklusive der eigenen Postleitzahl auf dem Bildschirm. Immerhin: Kreditkarteninformationen müssen dafür nicht eingegeben werden.

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