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Die Proben für den neuen „Starlight Express" haben begonnen

Veronika Hammer geht tief in die Knie und rollt einen kleinen Abhang hinunter. Kräftige Oberschenkel-Muskeln zeichnen sich unter ihrer blauen Sporthose ab. Dazu trägt die 24-jährige Österreicherin ein Langarm-Shirt, Rollschuhe und Schoner.

Sie hat kurze Haare und drei kleine Ohrringe auf der linken Seite. Schon in vier Monaten wird Veronika auf der Bühne von Starlight Express nicht mehr so aussehen. Sie wird in einem neuen Kostüm des Rollschuh-Musicals stecken. Und sie wird nicht mehr im Schritttempo, sondern rasant und gekonnt den Abhang hinuntersausen.

Das erste Mal im Leben auf Rollschuhen

Aber derzeit steckt sie noch in der Vorbereitung. Vor drei Wochen stand sie das erste Mal in ihrem Leben auf Rollschuhen. Dieses Training ist ihr viertes auf der großen Starlight-Bühne.

Der Boden glänzt, die Scheinwerfer strahlen von oben. Die Österreicherin fährt die Runde zu Ende und stellt sich hinter den 13 anderen neuen Darstellern wieder an. Sie schweigen konzentriert, keine Musik spielt. Zu hören sind nur die Geräusche der Rollen und ab und an eine Anweisung des Skate-Trainers Michal Fraley und seines Assistenten Andrew Millar.

Zehn Wochen lang jeden Tag Training

Die beiden bringen allen Musical-Darstellern das Skaten bei. Fraley sagt, dass die Zeit dieses Mal wegen der Umstellungen knapp ist. Zur Premiere der Neuauflage am 12. Juni muss jeder Beinschwung sitzen.

Das heißt zehn Wochen lang an je sechs Tagen acht Stunden Training. Nach 480 Stunden sollen die jungen Menschen Rollschuh-Profis sein. Fraley ist mit der aktuellen Truppe zufrieden, sie seien sehr konzentriert. Der Amerikaner ist seit 32 Jahren beim „Starlight Express" und war davor Trainer für Rollkunstlauf in Kalifornien.

Eine internationale Truppe probt mit viel Spaß

„Stay in that position!" Das Training in Bochum findet auf Englisch statt. Die Österreicherin Veronika spricht als Einzige Deutsch als Muttersprache. Ihre Kollegen kommen hauptsächlich aus Großbritannien, zwei aus Amerika, eine aus Schweden, einer aus Holland. Die Truppe wirkt wie eine internationale Schulklasse auf Ausflug. Die Darsteller schlafen größtenteils im selben Hotel und verbringen den ganzen Tag zusammen.

Fahren auf einem Bein will gelernt sein

Bald kommen noch zwei Rollschuh-Schüler dazu und drei Darsteller, die es schon können. 27 aus dem aktuellen Ensemble bleiben dabei. Dann lernen sie die neue Choreografie und absolvieren Charakterworkshops, in denen sie die Verkörperung ihrer Rollen üben. Außerdem bekommen alle neuen Darsteller außer der Österreicherin Aussprache-Training. Sie lernen den kompletten Text auswendig. Was er bedeutet, wissen sie nur ungefähr.

Nach etlichen Runden mit der Knie-Übung müssen die angehenden Rollschuhstars rückwärts durch die Tunnel an beiden Bühnenseiten fahren. Das scheint viel schwieriger zu sein. Zwei junge Frauen krallen sich an der Wand fest. Zentimeter für Zentimeter rollen sie bergab. Gebremst wird mit der Schuhspitze. Auch Fahren auf einem Bein müssen sie lernen.

Sie rollen einem Abenteuer entgegen

Wackelig rollen sie einem großen Abenteuer entgegen. Denn Vieles wird neu beim „Starlight Express". Alle Hauptrollen spielt jemand anderes. Einige, wie Veronika , dürfen niemandem von ihrer Figur erzählen.

„Aber ich kenne selbst noch nicht viel mehr als den Entwurf meines Kostüms", sagt sie. Der Brite Blake Patrick Anderson weiß mehr über seine Figur. Er wird die junge Dampflok Rusty verkörpern und ist sehr zufrieden damit. „Wir sind uns ziemlich ähnlich, beide ein bisschen trottelig und eher still", sagt der 23-Jährige. Es ist seine erste große Rolle.

Rusty bleibt Rusty, im Gegensatz zu manch anderen Figuren. Die Papa-Lok wird beispielsweise zur Mama. Sie wird von Sängerinnen mit kräftigen Blues-Stimmen gespielt. Erstmals soll es weibliche Lokomotiven geben, sagt „Starlight Express"-Pressesprecherin Friederike Gerwe.

Andrew Lloyd Webber hat in Bochum zugeschaut

Komponist Andrew Lloyd Webber selbst leitete die Veränderungen ein. Gerwe sagt, dass er im April 2017 mit seiner Familie eine Aufführung in Bochum gesehen habe und danach gesagt habe, das könne er sich so nicht mehr anschauen.

Also setzte er sich an sein Werk und schrieb um. Aber nicht alles. Die beliebtesten Lieder und der Sternenhimmel bleiben. Doch die Technik werde spektakulär, geradezu magisch, verspricht Gerwe. „Die Zuschauer werden etwas erleben, was sie noch nie gesehen haben".

Es hat gefunkt beim Casting

Webber wollte die Hauptrollen dieses Mal auch selbst aussuchen. Für das Casting musste Veronika extra nach London fliegen. Aber es hat sich gelohnt. Das wusste Veronika schon, als sie vor der Jury stand: „Es hat gefunkt. Und es funkt immer, wenn es passt." Bald kann sie die Funken auf das Publikum überspringen lassen. 

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