Donnerstag 27. Juni 2013 18:25
Exodus aus dem Nachkriegs-Österreich: Auf den Spuren der Displaced Persons. - Gestaltung: Christoph Dirnbacher, Sandra Knopp
Der Krimmler Tauern in Salzburg ist im Juni wieder Ort einer Friedenswanderung. Beim Alpine Peace Crossing (APC) beschreiten Zeitzeugen, Asylsuchende und Menschen, die sich für das Schicksal von Vertriebenen engagieren jenen Weg, den im Sommer 1947 von jüdischen Flüchtlinge zurückgelegt haben. Die Route führte sie von Salzburg in das benachbarte Südtirol. Italien war der Ausgangspunkt für die Weiterreise in das damalige Palästina. Der Grenzübertritt war illegal und fand in der Nacht statt. Insgesamt wagten 5.000 jüdische Flüchtlinge den 15 stündigen Marsch.
Der pensionierte Bankdirektor Ernst Löschner hat die Initiative Alpine Peace Crossing zum 60. Jahrestag der Flucht im Jahr 2007 ins Leben gerufen. Die in Israel lebende Yaffa Levi folgte damals den Spuren ihrer Eltern. Diese stammten ursprünglich aus Osteuropa und waren während Krieges in die Sowjetunion geflohen. Sie wollten nach Israel und suchten vorübergehend in einem Lager in Salzburg Zuflucht. Levi wurde 1946 in Saalfelden geboren und von ihrem Vater über den Krimmler-Tauern getragen. Die Alliierten zählten diese jüdischen Flüchtlinge nach dem 2. Weltkrieg zu den Displaced Persons (DPs). So wurden Menschen bezeichnet, die sich kriegsbedingt außerhalb ihrer ursprünglichen Heimat befanden. Darunter fielen etwa KZ-Überlebende, Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter. Jüdische DPs sind ein Teil dieser Gruppe.
Aufenthalt auf ZeitDP-Lager gab es in der amerikanischen, britischen und französischen Besatzungszone Österreichs. Als temporäre Unterkünfte fungierten Schulen, Hotels und ehemalige Kasernen. Das ehemalige Rothschildspital in Wien Währung war so eine Zwischenstation. Trotz überfüllter Zimmer berichtete Joanna Nittenberg, Herausgeberin der Zeitung "Neue Illustrierte Welt", von einer Aufbruchsstimmung. Ihr Vater Anton Winter war damals ein leitender Angestellter des Flüchtlingscamps. Ein Großteil der jüdischen DPs wollte nach Palästina ziehen, um den Staat Israel aufzubauen. Doch die britische Mandatsmacht verfolgte eine restriktive Einwanderungspolitik. Der Flüchtlingsstrom nach Österreich riss auch in den Jahren 1946 und 1947 nicht ab. Antisemitische Pogrome, wie im polnischen Kielce, und wirtschaftliche Krisen führten zu einer Massenflucht aus Osteuropa. Die jüdische Fluchthilfeorganisation Brichah schleuste DPs außer Landes. Einer der Helfer ist der heute 100-jährige Marco Feingold. Der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde in Salzburg hat etwa DPs per LKW über die italienische Staatsgrenze geführt.
Schwierige BegegnungDas Verhältnis zur örtlichen Bevölkerung war angespannt. Antisemitische Vorurteile waren mit Ende des Krieges längst nicht verschwunden, analysiert die Historikerin Susanne Rolinek. Es gab zwar gegenseitiges Misstrauen, aber auch Unterstützung von der Zivilbevölkerung. Nach der Gründung Israels im Mai 1948 wurde ein Teil der Transitlager aufgelöst, die letzten Camps schlossen 1954. Das Alpine Peace Crossing (APC) findet heuer zum siebten Mal statt. Gedacht wird jenen, die den DPs 1947 geholfen haben - etwa dem Bergführer Viktor Knopf, oder der Wirtin Lisl Geißler, die für die Rast im Krimmler Tauernhaus sorgte. Die Initiative richtet sich aber auch an Flüchtlinge von heute. Heuer wird in einer interkulturellen und interreligiösen Zeremonie der APC-Friedensweg von Ernst Löschner und Wolfgang Urban, Direktor des Nationalparks Hohe Tauern, eröffnet. Dabei werden sieben Gedenktafeln an den wichtigsten Stationen des Fluchtwegs von Krimml bis Kasern eingeweiht.
Gestaltung: Christoph Dirnbacher , Sandra Knopp · zur Sendereihe