Ihr Album "K4L" ist brutal. Aber genau deswegen so gut.
Ebru Dügzün ist Ebow. Sie ist das, was die deutsche Rapszene schon immer gebraucht hat. Und sie ist noch viel mehr als das. Das zeigt sie auf bemerkenswerte Weise mit ihrem dritten Werk. Das trägt wiederum den schlichten Titel "K4L" – eben "Kanak for Life", eine drastische In-die-Fresse-Botschaft. Einmal da reingeboren, kommt du da nicht mehr raus – aber von wegen.
Ebow ist der Gegenbeweis.
Die Müncherin hat Architekur in Wien studiert, ihre Lines sind schon p.c. – wenn auch gerade an der Grenze. Grammatikalisch ist sie dann aber doch eher im Kiezdeutsch verankert als im Akademiker-Sprech. Trotzdem poetisch, zwischen all dem Derben auch manchmal fast romantisch, so wie im Song "Blau“:
Blau schimmert die Nacht, ich hab immer gedacht, Liebe ist für die Ewigkeit bestimmt.
Gleichzeitig rechnet sie brutal mit dem zurückgeblieben Frauenbild ihrer Szene und den stereotypen Fremdenbildern des deutschsprachigen Raumes ab. So offen ausgesprochen, das es fast weh tut. Weil sich mal jemand traut, darüber zu sprechen. Am wohl drastischsten führt sie das in "Schmeck mein Blut" vor, das eben so klingt, wie eine Coming-of-Age-Emanzipations-Hymne im Deutschrap immer klingen sollte.
Mit Attitude. Mit Message. Mit Wut. Aber nicht stumpf. 100 Prozent Ebow. So weiblich und klar zugleich war Deutschrap wohl noch nie.
Musikalisch fügt sie das in einer interessanten Bricolage zusammen: Orientalisch-arabische Klänge treffen auf die harten Beats von oldschooligen 90er Hip-Hop und R'n'B – inklusive Samples von Crazy Town (ihr wisst schon, die mit "Butterfly"). Das prekäre Spiel mit Bekannt-Kultigem, den Verweis auf die eigene Generation, hat sie bereits in ihrem Nebenprojekt, dem Raptrio Gaddafi Gals, vorgeführt. Wer es noch nicht gehört hat: "FILA" wird garantiert eines eurer Lieblingsstücke.
Ebow traut sich, Stellung zu beziehen.
Am drastischsten wird das im gesprochenen Monolog "Hengameh – Skit". Wenn man als Zuhörer dann selbst zur weißen, biodeutschen Gruppe gehört, der dort krasses Unverständnis oder eher multikulturelle Tollpatschigkeit vorgeworfen wird, wird einem gleich ein wenig anders.
Ihr begehrt uns, aber ihr respektiert uns nicht
So ist es eben mit Verallgemeinerungen: Sie werden keinem gerecht. Genau das führt Ebow vor. Und es ist großartig.
Ihr eigenes Verständnis von dem, was sie da tut, hat Ebow ganz gut auf den Punkt gebracht: "Rap ist etwas, das aus der Gesellschaft für die Gesellschaft kommt" – so und nicht anders. Und deswegen ist ihr Album vielleicht auch eine einzige, riesige Party, um die Communitys dieses Landes zu zelebrieren.
Ihr Album ist daher gewollt inszeniert: Ebows Cousin trägt auf Zazaki, einem kurdischen Dialekt, ein Gedicht vor. Dazu allerlei fremde Klänge, die uns auf eine falsche Fährte und doch zu den Wurzeln von Ebows Tracks mitnehmen. In der Essenz ihrer Stücke hört man, dass sie Fan von M.I.A. oder Santigold ist. Frauen, die Kampf- und Protestleider ihr eigen nennen.
Bei Ebow ist es die Kraft des Zusammenhalts, ihres Sqads – eben ihrer Kanaks.
Sie selbst sagt, sie habe sich als Kind oft ausgeschlossen gefühlt – eben wegen ihrer Herkunft. Vielleicht ist es deswegen der Zusammenhalt, den sie jetzt zelebriert und zu der Essenz ihrer eigenen Identität macht.
Wenn das hier erst der Auftakt von Ebows Gesamtwerk ist, dann kann sich dieses Land noch auf das, was folgt, gefasst machen. Es wird groß. Nein, gigantisch. Wer Ebow einmal live erlebt hat, weiß, wie hochexplosiv diese Mischung ist. Und viel mehr Street Credibility an den Tag legt, als manch männlicher Kollege es jemals tun würde.