EMBL-Forscherin mahnt zu Vorsicht bei Gentests im Internet
Verena Tischler hat sich während ihrer Doktorarbeit am Europäischen Laboratorium für Molekularbiologie (EMBL) mit Genomforschung beschäftigt und ihre Forschung in einem öffentlichen Vortrag aus der Reihe „Mehr vom Leben“ vorgestellt. Im RNZ-Interview verrät sie, warum sie ihr Erbgut nicht untersuchen lassen will und wieso Frauen in der Wissenschaft unterrepräsentiert sind.
> Frau Tischler, haben Sie Ihre DNA schon analysieren lassen?
Nein, ich weiß ja, wie schwer es ist, die Daten auszuwerten. Wir wissen schon viel über DNA-Veränderungen, aber wir beginnen erst die Konsequenzen zu verstehen. Die Frage ist auch: Was will ich wirklich wissen? Ein Beispiel: Solange Alzheimer nicht heilbar ist möchte ich nicht erfahren, ob ich ein erhöhtes Risiko für diese Krankheit habe.
> Welchen medizinischen Nutzen bringt die Genomforschung?
Sie hat neue Therapiemöglichkeiten eröffnet. So können genetische Informationen in die Therapiefindung integriert werden. Personalisierte Medikamente, zum Beispiel gegen Brustkrebs, wurden entwickelt, so dass bestimmte Patientinnen keine Chemotherapie mehr benötigen. Bei der Medikation von Bluthochdruck könnte man in Zukunft die passende Dosis bestimmen, ohne nach dem Prinzip „trial and error“ vorgehen zu müssen.
> Lassen sich Krankheitsrisiken aus den Genen ablesen?
Zu den 3 300 Krankheiten, die inzwischen getestet werden können, zählen wichtige Volkskrankheiten wie verschiedene Krebsarten, Diabetes, Herzinfarkt und Alzheimer. Doch spielen nicht nur genetische Faktoren bei der Krankheitsentstehung eine Rolle. Zum Beispiel soll das Krebsrisiko mindestens zur Hälfte durch Umwelteinflüsse bedingt sein.
> Welche Möglichkeiten der Früherkennung bietet mir die Genanalyse?
Gentests gibt es im Internet schon für 100 Euro. Hierzu sendet man eine Speichelprobe ein und erhält Vorhersagen beispielsweise über das persönliche Risiko, einen Schlaganfall oder Brustkrebs zu bekommen. Doch bisher gelten die Aussagen noch als relativ unsicher. Um solidere Aussagen treffen zu können, wären mehr Daten zum Vergleich nötig.
> Wie sicher sind die Daten?
Bei DNA-Tests im Internet wäre ich vorsichtig, denn der Umgang mit der genetischen Information ist nicht überall reglementiert. Da stellen sich für mich viele Fragen: Was passiert mit meinen Daten? Wer hat Zugang dazu? Wer garantiert mir, dass sie nicht in falsche Hände geraten? Was passiert, wenn meine Krankenkasse weiß, dass ich ein erhöhtes Risiko für eine bestimmte Krankheit habe? Hier ist meiner Meinung nach der Gesetzgeber gefragt.
> Wie wird der Datenschutz in der Forschung gewährleistet?
Die Daten werden anonymisiert und Rahmenbedingungen müssen klar abgesteckt werden.. Wissenschaftler sind natürlich von Natur aus neugierig. Daher spielt die Ethik gerade in der Genomforschung eine besondere Rolle.
> Eine ganz andere Frage: Was muss man mitbringen, um von der Fachhochschule Recklinghausen ans renommierte EMBL zu kommen?
Dazu gehört Ehrgeiz, Wissensdurst – und eine gute Portion Glück. Das Schöne am EMBL ist, dass es nicht darauf ankommt, wo man herkommt, sondern was man mitbringt. In der Bewerbungswoche konnte ich mir verschiedene Labors anschauen und herausfinden, wo meine Interessen hineinpassen. Ich habe mir quasi meinen Chef ausgesucht und mein Chef mich.
> Was bedeutet es für Sie, am EMBL zu forschen?
Es gibt hier eine fantastische Forschungsinfrastruktur, eine offene Umgebung und flache Hierarchien. Jeder hat Zeit, bei einem Kaffee Fragen zu besprechen. Für mich war es eine tolle Möglichkeit, meinen Horizont zu erweitern und Menschen aus anderen Kulturen kennenzulernen. Meine Kollegen kommen aus Russland, Dänemark, Costa Rica, Mauritius, Kroatien, Österreich, Griechenland, Deutschland und der Türkei.
> Warum bleiben Sie nicht in der Forschung?
Ich habe eine neue Aufgabe gesucht, um mich persönlich weiterzuentwickeln.
> Nur rund ein Viertel der Forscher in Deutschland ist weiblich. Was sind die besonderen Herausforderungen für Frauen?
Oft sind Forscherinnen mit Forschern zusammen. Forschungsprojekte junger Wissenschaftler sind häufig befristet und wenn es um Mobilität oder um die Familiengründung geht, ist es oft die Frau, die zurücksteckt. Hier am EMBL ist das ideal gelöst. Es gibt eine sehr gute Kinderkrippe und junge Mütter können sich zum Stillen anrufen lassen. Hier können sie ihr Kind mit gutem Gewissen abgeben.
Sabine Hebbelmann
Rétablir l'original