Von Sabine Hebbelmann
Karlsbad/Schwetzingen. Der 17-jährige Abbas aus Damaskus, der bei einem Bombenanschlag von Granatsplittern getroffen wurde, ist voller Hoffnung, wieder ein selbstbestimmtes Leben führen zu können. Vergangene Woche wurde er das erste Mal operiert. Zwei Splitter sind ihm aus Bein und Bauch entfernt worden. Der Jugendliche hat die Operation gut überstanden. Es geht gut, sagt er auf Deutsch. Nur ein bisschen Bauchschmerzen hat er.
Fast jeden Abend fährt Jafaar Marahli die 90 Kilometer von Mannheim nach Karlsbad und besucht seinen Cousin in der Klinik. In Damaskus hatte er viel mit dem Jungen unternommen, bis er 2007 über einen Arbeitsvertrag als Koch nach Deutschland kam. Die Nachricht von seiner schweren Verletzung war ein Schock für ihn. Mit der Schwetzinger Stadträtin Raquel Rempp (Freie Wähler) hatte Marahli einen Spendenaufruf gestartet und es Abbas ermöglicht, zusammen mit seinem Vater im SRH-Klinikum Karlsbad-Langensteinbach aufgenommen zu werden.
Abbas schaut mit seinen großen Augen immer wieder hingebungsvoll zu ihm auf und lächelt ihn an. Gerade ist richtig viel los im Krankenzimmer. Nicht nur die Rhein-Neckar-Zeitung ist da, auch ein Kamerateam des SWR. Der behandelnde Chefarzt Dr. Carl-Hans Fürstenberg berichtet, dass die große Operation, bei der die Splitter aus Hals und Rücken entfernt werden sollen, auf kommende Woche verlegt wurde. Da er einen Blasenstein entdeckt hatte, muss Abbas zuvor noch in eine Klinik in Pforzheim verlegt und dort operiert werden.
Als sie Abbas' Geschichte erfuhren, hatten er und die anderen beteiligten Ärzte sich spontan bereit erklärt, auf ihr Honorar zu verzichten. Die Klinikleitung zögerte nicht lange und entschloss sich, Abbas zum voraussichtlichen Sachkostenpreis von knapp 80 000 Euro zu behandeln. Über die Klinik und die Vermittlung durch den SPD-Bundestagsabgeordneten Stefan Rebmann bekam Abbas ein medizinisches Visum für die Zeit der Behandlung in Deutschland. "Wir sind nur ein Glied in einer Kette von Helfern", sagt Kliniksprecher Mischa Lange bescheiden und schwärmt von dem jungen Abbas. "Er ist wie eine Brücke, die Menschen verbindet."
Abbas erzählt, wie er den Granateneinschlag bei vollem Bewusstsein erlebt hat. Den Staub, das Blut, die schreiende Mutter am Fenster. Und wie er, als er aufstehen wollte, seine Beine nicht mehr spürte. Abbas war immer hilfsbereit, sagt sein Vater. Jetzt ist er von der Hilfe anderer abhängig. Doch die Hoffnung hält ihn aufrecht. Abbas wünscht sich, dass er zur Schule gehen und ein normales Leben führen kann. Dass er niemanden braucht. Und dass er wieder laufen kann.
Doch dieser Wunsch wird wohl nicht in Erfüllung gehen. Laut Fürstenberg haben die Granatsplitter auf der Höhe des vierten Brustwirbels das Rückenmark getroffen. Abbas werde nicht wieder laufen können, durch die OP könnten aber Komplikationen verhindert und die Gesamtsituation verbessert werden. "Ziel ist, dass er im Rollstuhl sitzen kann", betont der Arzt. Wäre er in Damaskus geblieben, hätte Abbas über offene Stellen eine Infektion bekommen und an einer Blutvergiftung sterben können.
"Abbas ist so ein toller junger Mensch, und so tapfer", schwärmt Rempp, die immer wieder von ihren Emotionen überwältigt wird. So auch als Marahli einen großen Blumenstrauß und eine Geburtstagstorte herbeizaubert und der Schwetzinger Stadträtin zum 50. Geburtstag gratuliert.
Die Hilfsaktion hat Rempp und Marahli zusammengeschweißt. Gemeinsam haben sie viel durchgestanden und schon 64 000 Euro an Spenden gesammelt. Das reicht aber noch nicht, zumal noch unvorhergesehene Kosten auf sie zukommen können. So wie jetzt die Blasen-OP. Daher bibbern sie darauf, dass das Benefizkonzert für Abbas am 20. November in der Alten Wollfabrik in Schwetzingen ein Erfolg wird. Vier engagierte Bands verzichten auf ihre Gage, Security, Garderobe und Kasse übernimmt Rempp zusammen mit anderen Ehrenamtlichen.
Auch Bülent Ceylan unterstützt den Spendenaufruf für Abbas und versteigert dreimal zwei Karten für seinen Auftritt in München. Ein Videoclip und weitere Informationen auch über das Konzert finden sich auf der Facebook-Seite "Hilferuf für den 17-jährigen "Abbas" aus Syrien". Daran, dass Abbas nach der Behandlung in das zerstörte Syrien zurückkehren muss, mag sein Cousin am liebsten gar nicht erst denken. Die Infrastruktur liege am Boden und ein Training zur Selbstständigkeit für Querschnittgelähmte gebe es dort nicht. Abbas könnte nicht zur Schule gehen und bliebe von seiner Familie abhängig, sagt der 30-Jährige.
Abbas hat regelmäßig Fußball gespielt, jeden Donnerstag im Verein, erzählt der Vater, und Marahli übersetzt: "Er kann nicht beschreiben, wie sehr er das vermisst." Zum ersten Mal schließt der Junge seine Augen und dreht sich zur Seite.
Info: Benefizkonzert für Abbas am Freitag, 20. November, 20 Uhr, in der Alten Wollfabrik in Schwetzingen (Einlass ab 19 Uhr). Spenden auf das Spendenkonto "Hilfe für Abbas" bei der Sparkasse Heidelberg sind weiterhin willkommen, IBAN: DE 79672500200009244239, BIC: SOLADES1HDB, Empfänger: Freie Wähler Schwetzingen.