Aucun abonnement et 0 abonnés
Article

Gesetzliche Betreuung: Eine trägt der anderen Last

Es ist nicht immer einfach mit ihr. Wenn sie zur Bank geht, zum Beispiel, ihr Konto plündert und das ganze Geld abhebt, um Süßigkeiten zu kaufen. Beim letzten Mal waren es saure Zungen, zehn Stück. „Ich hab dir was mitgebracht", hat sie gesagt, „und Restgeld hab ich auch noch." Und dann fing sie an, Geld aus ihrer Tasche zu ziehen, Schein um Schein, und es hörte nicht mehr auf. Wenn Mona an diese Situation zurückdenkt, muss sie lachen, trotz oder gerade wegen der Absurdität, das weiß sie selbst nicht so genau. Und als ob das alles nicht schon genug gewesen sei, seien auf dem Nachhauseweg auch noch 70 Euro verschwunden, erzählt sie. Entweder seien sie verlorengegangen, oder Elisa habe was anderes damit gemacht. So genau könne man das bei ihr nie wissen, sagt Mona.

Elisa heißt eigentlich anders. Und sie ist, obwohl man es wegen der Anekdote mit dem Geld glauben könnte, auch nicht Monas Tochter. Elisa ist 36 Jahre alt, sechs Jahre älter als Mona. Trotzdem braucht sie die Hilfe ihrer Freundin. Denn Elisa ist geistig behindert, sie leidet am Williams-Beuren-Syndrom, einem Gendefekt. Bald wird sich die Freundschaft zwischen den beiden für immer verändern: Denn Mona, eine sportliche Frau mit roten Haaren und breitem Lächeln, übernimmt die gesetzliche Betreuung für Elisa. Dann trägt sie nicht mehr nur für sich selbst Verantwortung, sondern von heute auf morgen und offiziell auch für einen zweiten Menschen, bis an dessen Lebensende. Sie wird Elisa gerichtlich und außergerichtlich vertreten, über ihren Aufenthalt bestimmen und an ihrer Stelle mit Behörden und Institutionen sprechen.

Ein ausgereifter Plan

Für Mona ist das trotzdem keine große Sache. Sie kennt Elisa schon ihr ganzes Leben. Die Eltern waren befreundet, beide unternehmen viel zusammen, mindestens einmal die Woche. Sie gehen zum Sport, spazieren oder essen, oft feiern sie auch gemeinsam. Wenn Elisas Eltern im Urlaub sind, wohnt Mona bei ihr. Diese enge Freundschaft besteht seit 30 Jahren. Mona sagt, sie gehöre zu ihrem Leben, sie habe sich nie Gedanken darüber gemacht. „Und dann haben ihre Eltern gefragt, ob ich die gesetzliche Betreuung übernehmen würde", sagt Mona. Einfach so, aus dem Nichts, beim Abendessen. Mona kam gerade vom Sport, als Elisas Eltern mit ihrer Frage herausplatzten. „Ihr Vater wird dieses Jahr 70, ihre Mutter ist Anfang 60", erzählt Mona. „Die beiden wollen für ihre Tochter alles geregelt wissen." Wenn sie mit ihrer tiefen, ruhigen Stimme vom Anliegen der Eltern erzählt, klingt das seltsam banal, dabei könnte es bedeutender nicht sein: Vater und Mutter legen das Leben ihrer Tochter in Monas Hände.

Mehr zum Thema

Ein gesetzlicher Betreuer vertritt einen Menschen, der seine Angelegenheiten aufgrund von Krankheit oder Behinderung nicht selbst regeln kann - in welchen Belangen genau, legt das Betreuungsgericht individuell fest. In Elisas Fall sind es alle elementaren Bereiche des Lebens: Gesundheit, Wohnungsangelegenheiten, Umgang mit Krankenkassen und Versicherungen, Verwaltung des Vermögens. Wenn sie darüber nachdenke, sagt Mona, habe sie die Frage eigentlich gar nicht so sehr überrascht. Sondern eher, dass der Plan der Eltern und das, was auf Mona zukommt, schon so ausgereift war: die Immobilien der Eltern verwalten, damit die Mieteinnahmen die Kosten für Elisas Behandlungen und ihre ambulante Unterstützung decken. Einmal im Jahr mit einem Anwalt für Behindertenrecht in Ingelheim sprechen, der ihr mit den Finanzen hilft. Grundsicherung beantragen.

Durch den Beruf des Vaters geprägt

Sich um Krankenkasse, Rentenversicherung und Reha-Anträge kümmern. Natürlich überlege man sich so etwas als Eltern sehr gut, das sei ihr bewusst. Aber dass alles schon so ausgeklügelt war, das habe sie dann doch überrascht. „Das war seltsam, echt. Für mich war das bisher immer eine ganz normale Freundschaft." Jetzt ist sie also nicht mehr ganz so normal. „Über die Entscheidung nachdenken musste ich aber nicht." Mona spricht langsam, fast vorsichtig und wählt ihre Worte mit Bedacht. Fast so, als könne schon ein unüberlegtes Wort ein falsches Bild davon vermitteln, was sie über ihre neue Rolle als gesetzliche Betreuerin denkt. Ihr Freund habe tatsächlich einmal schlucken müssen, erzählt sie, und ihre Bekannten seien einfach nur überrascht gewesen. Sie selbst aber scheint nicht den geringsten Zweifel daran zu haben, dass das, was sie tut, richtig ist - und Angst hat sie erst recht nicht: „Vielleicht hilft mir da auch einfach mein Beruf und dass ich das Gefühl habe, ich kenne mich einigermaßen aus."

1 | 2Nächste Seite | Artikel auf einer Seite

Rétablir l'original