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Paris: "So viel Chaos wegen so einem bisschen Schnee"

Ein abendlicher Besuch auf dem Pariser Bahnhof Gare de Lyon, Frankreichs zentralem Nord-Süd-Knotenpunkt. Im Büro der französischen Bahn SNCF schneidet der Praktikant gerade Essensmarken für die "Gestrandeten" aus. So nennen die Bahnmitarbeiter alle Passagiere, die wegen des Wetters nicht weiterreisen können. Oder besser gesagt wegen des Wetters und des Krisen-Managements der SNCF.

Der knöcheltiefe Schnee hatte bereits Anfang der Woche den Verkehr in der Pariser Region völlig durcheinander gebracht. Sämtliche Vorort-Züge verspäteten sich, viele fielen komplett aus, ebenso jeder zweite Bus und zahlreiche Metros. Außerdem hat die SNCF sämtliche Nachtzüge gestrichen. 100 bis 200 Menschen werden allein auf dem Gare de Lyon die Nacht verbringen - in eigens bereit gestellten Schlafzügen. Das gäbe es öfter mal, erklärt der Einsatzleiter. Noch wissen die Fahrgäste nichts von ihrem Glück.

"Nur die Alten dürfen ins Hotel"

Gegen 20 Uhr ist die das Informationszentrum voll mit "Gestrandeten". Eine gebrechliche Französin wartet schon seit fast einer Stunde auf eine Antwort. Sie wird in ein Hotel geschickt. Ein Mann, der wegen der Verspätungen seinen Zug nach Marseille verpasst hat, darf ebenso mit wie der Besitzer einer Bahncard100 und zwei japanische Touristen. "Alle kommen in den Schlafzug, nur die Alten dürfen ins Hotel", sagt Mikael Lannoy, Assistent des Bahnhofsdirektors und Krisenmanager. "Nach dieser 15-Stunden-Schicht möchte ich jetzt endlich ins Bett", sagt er zum Abschied. Er kann es immerhin.

Für ein junges deutsches Paar mit kleinem Kind, das gegen 21.30 Uhr den Schalter erreicht, stehen die Chancen für ein Hotelbett dagegen schlecht. Die beiden tragen schwere Rucksäcke, sie wollen mit ihrem Sohn "in Spanien den Frühling verbringen". Am Schalter hat sich inzwischen eine lange Schlange gebildet. Nein, sie hätten "keinen Platz mehr im Hotel", entgegnet die Beamtin und schaut die beiden mit zusammengekniffenen Augen an. Diesen Blick bringt sie allen Fahrgästen entgegen. Während der Vater mit dem Kinderwagen auf dem Bahnhof spazieren fährt, harrt die junge Mutter am Schalter aus, gelegentlich wiederholt sie ihr Anliegen. Eine Stunde später dürfen sie doch ins Hotel.

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