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Das Absurde und Komische in einem Atemzug

Gerhard Polt, Kabarett, Satire, Unterhaltung, Kultur, Literatur, Theater

Gerhard Polt und die Gebrüder Well lassen im Braustadel nichts aus und kalauern vor den handverlesenen Stammgästen Von Reinhard Stegen

Gerhard Polt in Rammingen, die Ankündigung mussten Impresario Tscharlie Hemmer und sein Braustadel-Team ein wenig unter Verschluss halten; der zu erwartende Ansturm hätte das Platzangebot der Kabarett-Hochburg gesprengt.

Die Veranstaltungwar ein Special, ein Bonus für treue Braustadel-Fans und Dauer-Stammgäste. Polt ist Kult - dazu bedarf es keiner Werbestrategien und Kampagnen -, das zeigt die Resonanz auf seine Auftritte, wie in jüngerer Vergangenheit etwa in den Münchener Kammerspielen aber auch in ganz Deutschland.

Und dann steht er da in Rammingen auf der holzgezimmerten Bühne, die bodenständig wie selbstverständlich zu seiner äußeren Erscheinung passt. Im karierten Flanellhemd, den Trachtenjanker drüber, lässt er den grantelnden Spießer mit der ihm eigenen Selbstironie los auf sein Publikum, das sich in den beschriebenen Alltagssituationen mühelos wiedererkennt.

Böse, bärbeißig und hinterfotzig kann er dabei werden. „Wie die Zeit vergeht", ein immer wiederkehrendes Thema bei ihm. Aber was soll sie sonst auch schon machen: die Zeit. Ihn stört's angeblich überhaupt nicht, schließlich sei er ja Rentner; obwohl: früher hatte er mehr Zeit. Und dann ist er schon bei dem, was die Zeit so mit sich bringt. Da sind seine Enkel mit so wohlklingenden Namen wie Jacqueline und Geoffrey, statt den Bubi nach gutem Landesvater-Vorbild einfach Horst zu nennen.

Aber hier beginnen erst die Absurditäten im sich so modern gebenden Freistaats-Lifestyle. Der Vater arbeitet in einer NSÄ-Filiale und verbringt den Tag mit Lauschen, während in der Maximilianstraße die Scheichs und Scheichinnen bereits vor dem Frühstück für eine Rolexuhr Schlange stehen. Junge Menschen, wie seine Enkel, stellen Fragen, und sie zu beantworten, fühlt er sich berufen, während das „Lehrermaterial" im Zeitalter des Internets über die Nazi unterrichte, obwohl die Junglehrer doch den Krieg gar nicht erlebt hätten. Demokratie müsse man wollen, und in Berlin habe man keine Meinung, und die werde durchgesetzt. In seiner Schulzeit habe der Geschichtsunterricht bei der Schlacht von Königgrätz (1866) geendet.

Den Rest habe ihm sein Großvater erklärt: „Wenn mia den Ersten Krieg gewonna hättn, hätt's den Zweiten net braucht". Faszinierend, wie Polt zwischen kalauernden Sprüchen, bauernschlauen Weisheiten und Verknüpfungen mit dem, was die Menschen aktuell bewegt, das Absurde und Komische unseres scheinbar so aufgeklärten Lebens geistesblitzartig durchscheinen lässt.

So auch wenn er wieder auf den Bubi zurückkommt, der es nicht leicht habe im Zeitalter des Internet und der Medien; die hätte es zu seiner Zeit nicht gegeben, sondern nur den Bayerischen Rundfunk. Die Folge: Bubi schaue sich mit Interesse Enthauptungsvideos an. „Die brauchst net anschaun. Das hat schon Karl der Große gemacht, der die Sachsen zum Christentum bekehren wollte.

Ob's was genutzt hat?" habe er ihm gesagt. Tosendes Gelächter auch, wenn Gerhard Polt sich in der Rolle des im Zeichen des Nachwuchsmangels nach Deutschland entsandten indischen Priesters interviewen lässt und sich dabei über deutsche Zustände echauffiert. Sprühend vor Witz schließlich das fiktive Interview von Moderatorin Tissy vom Radiosender Fiftyfifty mit einem Alkoholsportler, dessen inzwischen erwachsener Sohn ganz unabhängig seinen eigenen Weg eingeschlagen habe: den des Kampftrinkers.

Und als ob das alles nicht schon verrückt genug wäre, hat Gerhard Polt die Wellbrüder aus'm Biermoos mit dabei, die unter anderem ein musikalisches Credo auf die Stub'nmusik beisteuern - „Mutter schlägt die Zither, Vater die Kinder" - und dazu noch drei Alphörner als Ursprung aller Musik mitgebracht haben. Nach einem letzten Beifallssturm und einem Kauderwelsch-Lied als Zugabe zum Mitsingen, das auf so etwas wie „tschihad" endet, verabschiedet sich Polt gewohnt unsentimental. Man habe jetzt keine Zeit mehr: „Wir wollen zum Essen".

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