Berlin. Bruno Zimmer will seine Produkte nicht als Lebensmittel verstanden wissen, sondern als „Mittel zum Leben". Zimmer steht an einem Stand in der Berlin Messe neben Flaschen gefüllt mit Ölen aus Oliven, Lein und Borretschsamen und hält einen Prospekt in der Hand, auf dem „Krebs-Fibel" steht. „Viele unserer Kunden werden fast über die Türschwelle getragen, so krank sind sie", sagt Zimmer.
Die Kranken kommen zu dem Naturkosthändler, weil sie in der Nahrung mehr sehen als ein Mittel zur Sättigung. Denn Zimmer ist überzeugt, dass manche Lebensmittel heilende Kräfte besitzen. So sollen seine Pulver helfen, den Zellschutz des Körpers zu verbessern, und somit - so das Versprechen - gegen Krebs schützen. Es gehe ihm „nicht in erster Linie" darum, Geld zu verdienen, sagt der Inhaber des gleichnamigen saarländischen Familienbetriebs, während er seine Produkte auf der Vegetariermesse V Delicious anpreist.
Mit seinem Zellschutz-Pulver liegt er dort voll im Trend. Zum ersten Mal findet die Vegetariermesse V Delicious in Deutschland statt, parallel zum letzten Wochenende der Grünen Woche. Dort zeigt sich: Viele Verbraucher sind nicht mehr nur an einer tierfreien Ernährung interessiert, sie suchen vielmehr nach Lebensmitteln, die eine Wirkung entfalten sollen, die man sonst eher Medikamenten zuschreibt. Sojamilch, Fleischersatz und andere traditionelle Produkte für Vegetarier und Veganer sind auf dieser Messe eher zu einer Randerscheinung geworden.
Der Vegetarierbund Deutschland geht zurzeit von bundesweit rund sieben Millionen Vegetariern und etwa 900 000 Veganern aus.
Sorgten sich Vegetarier und Veganer früher vor allem um das Wohl der Tiere, ist dies heute nur noch einer von vielen Gründen, warum sich Menschen für ein fleischloses Leben entscheiden, bestätigt Sebastian Zösch, Geschäftsführer des Vegetarierbundes Vebu. Nach Angaben des Verbands gibt es etwa sieben Millionen Vegetarier und 800.000 Veganer in Deutschland - Tendenz steigend. Für viele würden Gesundheits- und Wellnessargumente immer wichtiger für die Entscheidung auf eine Ernährung ohne Fleisch oder Tierprodukte.
Das belegen auch Studien. Laut einer Erhebung des Irish Food Board gingen 2013 beispielsweise mehr als die Hälfte der britischen Konsumenten davon aus, dass sie in Zukunft stark nährstoffhaltige Nahrungsmittel kaufen würden.
Auf der Messe stapeln sich daher Dosen, Flaschen und Beutel mit exotischen Pflanzen wie Moringa und Acai-Beeren als Pulver, Brei oder Saft in den Regalen der rund 50 Aussteller. Was täglich auf dem Teller, im Topf oder Smoothie-Mixer landet, soll zum Beispiel den Blutdruck senken, Krebs bekämpfen oder klüger machen - oder gegen Mangelerscheinungen und Allergien oder Unverträglichkeiten helfen. Für die Wurzeln, Gräser und Beeren haben Marketingstrategen den Begriff „Superfood" geprägt.
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