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Gleichberechtigung im Sport: Dabei sein ist nicht alles - aber ein Anfang | BR.de

Mit Kabelbinder befestigen zwei Helfer Werbebanner an der Absperrung. Darauf abgebildet die Logos der Partner: Unter ihnen ein Automobilhersteller, der mit dem Männlichkeitssymbol wirbt. Die Helfer steigen in ihr Golfcart und fahren ein Stück weiter, um an der nächsten Absperrung ihre Arbeit zu wiederholen. Es sind die letzten Vorbereitungen, bevor Munich Mash am nächsten Tag startet. Hinter der Absperrung wird schon trainiert: Ein Wakeboarder flitzt über das Setup im Olympiasee, springt über einen Kicker, slidet an einem Rail entlang. Siegchancen gleich Null. Nicht, weil der Fahrer zu schlecht ist, sondern weil er eine Frau ist.


Die Wakeboard-Frauen fahren außer Konkurrenz

Seit fünf Jahren gibt es Munich Mash. Es ist das größte Actionsport-Festival in Deutschland und es ist kostenlos. Möglichst viele Menschen sollen kommen. Dafür möchten die Veranstalter etwas bieten: Anspruchsvolle Obstacles und nur die weltbesten Fahrer. Frauen fielen dabei bisher raus, sagt die Wakeboarderin Nadine Härtinger.

"Es gab noch nie die Möglichkeit, dass Frauen teilnehmen. Das ist ein invited contest. Das heißt: Man wird eingeladen als Fahrer – und es ist ein reiner Männer-Contest."


Seit zehn Jahren fährt Nadine Wakeboard. Sie wird gesponsort, ist deutsche Meisterin in ihrer Altersklasse - eine Einladung zu Munich Mash hat sie deswegen nicht erhalten. Genauso wenig wie ihre Kolleginnen aus Schweden, Australien, Frankreich und den USA. Allesamt sitzen sie am Start und feuern ihre deutsche Kameradin auf dem Wasser an. Kein Konkurrenzdenken, kein Leistungsdruck. Warum auch? Beim Contest dürfen sie sowieso nicht mitmachen. Dass sie nicht umsonst hier sind, dafür hat Nadine Härtinger in ihrer Rolle als Social Media Managerin bei Munich Mash gesorgt. Zusammen mit Denny Bräuniger vom Magazin The Cable hat sie ein Foto-Shooting für die Frauen organisiert und Sponsoren dafür gewonnen.

"Ich hoffe, dass das Shooting große Wellen schlägt, so dass nächstes Jahr Sponsoren oder auch Veranstalter sagen: Hey, wir wollen das mehr ausbauen. Das kam so gut an. Wir möchten in die Frauen investieren."


Mehr Aufmerksamkeit für SportlerINNEN

Nadine ist sich also bewusst, dass das noch nicht alles gewesen sein kann. Sie sieht das Shooting aber als ersten Schritt in die richtige Richtung. Denny Bräuniger will Onlinevideos und einen mehrseitigen Artikel in seinem Magazin bringen, vielleicht springt sogar ein Titelfoto heraus. Dennys Ziel dabei: Mehr Aufmerksamkeit für die weibliche Wakeboard-Szene. Ein ausgeglichenes Verhältnis von Männern und Frauen in den Stories von The Cable ist schwierig umzusetzen, schon alleine, weil es mehr Männer gibt, die den Sport ausüben. Trotzdem versuchen Denny und seine Frau, die Chefredakteurin bei The Cable ist, den Frauen Platz zu geben. Von der Idee eines reinen Frauen-Shootings war er deshalb sofort angetan - auch wenn es kein gleichwertiger, ins Mash integrierter Programm-Punkt mit Zuschauern ist:

"Klar, würde ich mich freuen, wenn die Mädels generell ein schönes Event mit richtig viel Publikum hätten, diesen Hype spüren und Zuschauer mit den Mädels in Kontakt kommen. Aber wir werden auf andere Art und Weise punkten und die Mädels können das mindestens genauso schätzen."


Die Angst, kein Publikum zu ziehen

Damit scheint er rechtzuhaben. Kein Publikum und auch keine Möglichkeit auf dem Siegertreppchen zu stehen, stört zumindest die 16-jährige Nachwuchssportlerin Luca Glinski nicht.

"Man muss einfach sagen, das Setup ist sehr anspruchsvoll und es besteht einfach dieser krasse Unterschied zwischen Männern und Frauen."


Luca und ihre Kolleginnen glauben scheinbar selbst, dass sie nicht so viele Menschen begeistern könnten wie die männlichen Sportler. Und damit deckt sich ihre Meinung mit der der Veranstalter - Frauen im direkten Vergleich in einen Contest mit demselben Setup zu integrieren, da können sie nur untergehen, meinen diese. Und für einen eigenen Frauencontest fehlt schlicht das Geld. Dabei bleiben viele der Menschen, die am Donnerstag abend durch den Olympiapark schlendern, lange stehen, schauen sich die Action der Sportlerinnen an und sind begeistert.

Erster Schritt: Gesehen werden

Beim Red Bull Roller Coaster hat Munich Mash - angeregt durch den Partner Red Bull - die Integration von Frauen in den Wettbewerb dennoch gewagt. Zum ersten Mal in der Geschichte des Mash sind drei Frauen beim Skateboard-Contest angetreten: die Amerikanerinnen Fabiana Delfino und Nora Vasconcellos sowie Candy Jacobs aus den Niederlanden. Zwar mit eigener Wertung in der Vorrunde - also die beste der Drei qualifizierte sich fürs Finale - aber immerhin vor großem Publikum. Und das zeigte sich begeistert darüber, dass Frauen dabei sind. Ein starker Egoboost für die 21-jährige Teilnehmerin Fabiana Delfino.

"Jetzt fangen immer mehr Frauen mit dem Skateboarden, Wakeboarden und Surfen an, weil sie im Fernsehen oder bei Contests sehen: das machen auch noch andere Frauen. Mich pusht das total und hoffentlich auch andere Mädels, die sich für den Sport interessieren."


Ein metaphorischer Sieg

Im direkten Vergleich mit den Männern im Superfinale landete Fabiana auf dem letzten Platz, aber sie konnte ihre Skills dem selben großen Publikum wie ihre männlichen Kollegen präsentieren - stellvertretend für Frauen wie Nadine Härtinger oder Luca Glinski, die gar nicht erst die Chance dazu bekamen.

Wer weiß, vielleicht wird es bei Munich Mash 2019 nicht nur eine Disziplin geben, in der die Frauen zeigen, was sie können. Denn Actionsport ist keine reine Männersache. Aber solange das nicht als selbstverständlich angesehen wird, träumen Sportlerinnen wie Fabiana Delfino noch von Gleichberechtigung.

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