Wissenschaft soll eigentlich das Leben Aller zum Positiven gestalten, Erkenntnisse vermitteln, Interesse erzeugen. Doch die Realität sieht oft anders aus. Wissenschaftliche Forschung hat mit einem einschlägigen Ruf zu kämpfen. Abgehoben, nischig, gar elitär mag sie fachfremden Menschen vorkommen - sofern sie überhaupt wahrgenommen wird und kein von der Gesellschaft abgekapseltes Eigenleben führt. Zu verkompliziert sind viele Erkenntnisse, als dass sie von Lai*innen zu begreifen sind.
Verschiedene Formate versuchen allerdings, genau das zu ändern. In Science Slams zum Beispiel, deren Aufbau ähnlich abläuft wie bei Poetry Slams, referieren wortgewandte Wissenschaftler*innen und andere Intellektuelle über eigentlich komplexe Sachverhalte ihres Fachgebietes in vereinfachter und gerne humoristischer Form. Jede*r soll den Inhalt verstehen können - ohne Fachsprache und Bandwurmsätze.
Die Idee kommt an und lockt immer mehr Leute in Veranstaltungssäle. Auch im Netz stoßen Populärwissenschaften vermehrt auf positive Resonanz. Schon seit 2010 existiert das Blog Real Clear Scientist auf Twitter, seit knapp zwei Jahren gibt es mit Real Scientists DE einen deutschsprachigen Ableger. Über 4.600 Menschen folgen dem Blog bereits. „Echte Wissenschaft von echten Forschern, Autoren, Kommunikatoren, Künstlern, Klinikern", verspricht die Eigenbeschreibung.
Die Idee dahinter ist simpel: Für einige Wochen übernimmt ein*e Wissenschaftler*in den Account, twittert ungefiltert aus dem eigenen Arbeitsleben und erklärt einfach, an was er*sie forscht. Es herrscht eine hohe Fluktuation. Die individuelle Note jeder*s Einzelnen weht frischen Wind in die vermeintlich staubige Welt der Wissenschaft. Nicht nur dadurch, dass damit immer wieder ein neuer Schreibstil und neue Gedanken in die Timelines strömen: Der Nutzer*innenwechsel führt außerdem dazu, dass Follower*innen Neuigkeiten und Informationen aus sämtlichen Wissenschaftsbereichen erhalten. So erfahren Geisteswissenschaftler*innen einiges aus der Mathematik und andersrum.
Noch vor einigen Wochen twitterte mit Dennis Beckmann ein Kurator, der an der Technischen Universität Darmstadt an der Entwicklung und dem Bau eines Raketensystems beteiligt ist. Momentan hat Emma Vitz das Twitter-Zepter in der Hand. Sie lebt in Neuseeland, arbeitet als Aktuarin in der Versicherungswirtschaft und beschäftigt sich mittels mathematisch-statistischer Methoden der Versicherungsmathematik damit, wie Risiken modelliert, bewertet und gesteuert werden können.
Über den Tag verteilt twittert Vitz über Schritte ihrer Arbeit, lässt Interessierten aber auch Raum zu partizipieren und legt dahingehend ihren Schwerpunkt. Sie erklärt Nutzer*innen zum Beispiel verständlich, was hinter dem Begriff Data Science steckt und was das alles mit Risiken, Vandalismus und Häusern in Sackgassen zu tun hat. Ein Blick über den Tellerrand kann so einfach sein.