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Nahost-Gipfel in Polen: Die merkwürdige Nahost-Allianz von Warschau und Washington

Schulterschluss zwischen Washington und Warschau: Polens Außenminister Jacek Czaputowicz (links) und sein US-Kollege Mike Pompeo laden gemeinsam zum Nahostgipfel nach Polen. | Quelle: AP

Von Philipp Fritz und Daniel Friedrich Sturm

Am Mittwoch beginnt in Warschau der von Polen und den USA organisierte Nahostgipfel, auf dem es vor allem um den Umgang mit dem Iran gehen wird. Der Schulterschluss zwischen dem EU-Mitglied und Washington birgt Konfliktpotential.

Bisher ist Polen nicht gerade mit einer umfassenden Nahostpolitik aufgefallen. Dass das Land zusammen mit den USA ab Mittwoch in Warschau nun einen internationalen zweitägigen Gipfel zum Thema ausrichten wird, mag deshalb umso überraschender scheinen.

An 70 Regierungen hatte Polen Einladungen verschickt, 50 mindestens werden, so Staatssekretär Bartosz Cichocki, vertreten sein. Hochkarätig wird Israel mit Premierminister Benjamin Netanjahu anreisen, darüber hinaus unter anderem Vertreter Saudi-Arabiens, Ägyptens, Jordaniens und Kuwaits. Großbritannien schickt dem Vernehmen nach Außenminister Jeremy Hunt. Ausgerechnet Russland und der Iran kommen nicht, Letzterer wurde gar nicht erst eingeladen.

Dabei ist damit zu rechnen, dass eben gerade der Iran und dessen Einfluss in der Region die Gespräche dominieren werden. Den Eindruck, es werde ausschließlich um den Iran gehen, versuchen die Warschauer Regierung und die Amerikaner jedoch zu zerstreuen. Es solle sich nicht um einen „Anti-Iran-Gipfel" handeln.

Offiziell wird sich die Konferenz mit „Stabilität, Frieden, Freiheit und Sicherheit in Nahost" befassen. Der iranische Außenminister Dschawad Sarif nannte die Veranstaltung dennoch einen „verzweifelten Anti-Iran-Zirkus". Der iranische Botschafter in Warschau sprach davon, dass Polen die 500-jährige Freundschaft zwischen den beiden Ländern beschädige.

Der Gastgeber, der polnische Außenminister Jacek Czaputowicz, weist dies in einem Gespräch mit WELT von sich. „Der Iran ist kein Thema der Konferenz", sagt er. „Die Konferenz ist auf ‚horizontale Probleme' ausgerichtet, das heißt auf die Verbreitung von Waffen, Terrorismus oder hybride Bedrohungen, nicht gegen den Iran. Es geht allgemein darum, die Region zu stabilisieren, auch geht es um Flüchtlinge."

In der öffentlichen Debatte in den USA spielt die Konferenz in Warschau bisher keine größere Rolle. Dabei hat der Mit-Gastgeber, Außenminister Mike Pompeo, schon am Montag in Budapest seinen fünftägigen Europa-Aufenthalt begonnen. Pompeo reist außer nach Warschau auch nach Bratislava, Brüssel und Reykjavik, die Münchner Sicherheitskonferenz hingegen lässt er aus.

Dort werden die USA durch Vizepräsident Mike Pence, Verteidigungsminister Patrick Shanahan, die Präsidententochter Ivanka Trump und deren Ehemann Jared Kushner vertreten. Kushner wird auch in Warschau anwesend sein. Er arbeitet an einem Konzept für Frieden zwischen Israel und den Palästinensern und will dazu noch im Februar in den Nahen Osten reisen.

Die Regierung in Washington spielt die Tatsache, dass diverse, zumal europäische Staaten in Warschau auf Ministerebene nicht vertreten sein werden, herunter. Frankreich wird lediglich einen „politischen Direktor" schicken, für Deutschland reist Staatsminister im Auswärtigen Amt, Niels Annen, an. Bereits vor mehr als zwei Wochen sagte zudem EU-Chefdiplomatin Federica Mogherini ab.

Die Teilnehmerliste verdeutlicht einen Riss zwischen Europa und den USA und auch einen Riss innerhalb der EU. Auf der einen Seite stehen die Europäer, die gern an dem Atomabkommen mit dem Iran (Joint Comprehensive Plan of Action, JCPOA) festhalten würden, auf der anderen die USA, die bereits ausgestiegen sind. Polen sitzt in einem Boot mit den EU-Staaten, zeigt jedoch auch Verständnis für die amerikanische Position.

Ist die EU also gespalten? Oder tritt Polen nicht vielleicht sogar als Vermittler auf? Immerhin werden alle EU-Regierungen irgendwie vertreten sein. Das offenbar ist eine Interpretation, die Außenminister Czaputowicz bevorzugt. „Wir möchten unseren Beitrag leisten, dass Europa und die USA aufeinander zugehen und anfangen, gemeinsam Probleme zu lösen", sagt er WELT.

Für Wojciech Przybylski, Chef des Warschauer Thinktanks Visegrad Insight, wertet die Nahostkonferenz sogar Polens Position innerhalb der EU auf. „Durch gute Beziehungen zu den USA möchte Polen seinen Status in der Gemeinschaft verbessern. Trotz einer Nähe zu Washington in Sicherheitsfragen liegt dem Land daran, in Europa mitzuspielen", so Przybylski zu WELT. Andere Beobachter begreifen Polen hingegen als ein Trojanisches Pferd der USA.

Warschaus Kalkül ist es, gegenüber Washington in Vorleistung zu treten, um im Gegenzug eine dauerhafte Stationierung von US-Soldaten in Polen zu erwirken. Im März schon soll das Pentagon eine Analyse über entsprechende Optionen veröffentlichen. Es geht um Sicherheitsgarantien und Abschreckung gegenüber Russland. Auf eine Europäische Verteidigungsgemeinschaft oder gar auf Deutschland will sich in Warschau kaum jemand verlassen.

Seit Monaten wird stattdessen in den USA für „Fort Trump" geworben. So nannte der polnische Präsident Andrzej Duda im September vergangenen Jahres während einer Pressekonferenz im Weißen Haus eine mögliche US-Basis in seinem Land - zum Wohlgefallen Donald Trumps.

Das polnisch-amerikanische Verhältnis ist traditionell eng. Trotzdem dürfte sich die US-Administration auch in Ermangelung von Alternativen und in der Hoffnung auf einen freundlichen Empfang an Warschau gewandt haben.

Trump, der Polen gern im selben Maße lobt wie er Deutschland tadelt - etwa für dessen geringe Rüstungsausgaben -, hat die Bilder seines Staatsbesuchs in Polen im Sommer 2017 noch gut in Erinnerung. Es war ein Freudenfest. Bejubelt zu werden, das kannte Trump aus europäischen Hauptstädten bisher nicht.

Während seiner Rede zur Lage der Nation am vergangenen Dienstag hatte Trump die vom Iran ausgehenden Gefahren bekräftigt. Der amerikanische Botschafter in Berlin, Richard Grenell, redete die Unterschiede zwischen den USA und Teilen Europas im Umgang mit dem Iran klein.

„Wir wollen die Iraner daran hindern, dass sie Nuklearwaffen entwickeln, ihr Raketenprogramm vorantreiben, und wir wollen ihre bösartigen Aktivitäten stoppen", sagte Grenell im Interview mit WELT AM SONNTAG: „Während Amerika und die Europäer sich bei den Zielen einig sind, sind wir uneins über die Taktik, wie man diese Ziele erreicht."

Mit der Aufkündigung des unter anderem von Deutschland, Frankreich und Großbritannien verhandelten Atomabkommens mit Teheran haben die USA jedoch wichtige Partner in Europa vor den Kopf gestoßen. Der mit der Konferenz in Warschau symbolisierte Schulterschluss mit Polen, das der Trump-Regierung deutlich freundlicher gegenübertritt als Berlin oder Paris, erinnert an die Konstellation rund um den zweiten Irakkrieg 2003 unter US-Präsident George W. Bush.

Dem widersetzten sich damals Frankreich und Deutschland, vertreten durch den konservativen Präsidenten Jacques Chirac und den sozialdemokratischen Kanzler Gerhard Schröder. Großbritannien und Polen waren indes Teil der Allianz unter Bush.

Nachdem es kräftig zwischen Berlin, Paris und Washington gekracht hatte, spottete US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld damals über das „alte Europa". Dem stellte er das „neue Europa" entgegen, also die Gruppe der „willigen" Staaten in Ostmitteleuropa. Gemeint war damit primär: Polen.

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