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Interview

Social Bots: die virtuelle Pest des 21. Jahrhunderts

Das Geschäft mit Fake-Accounts boomt. Vor allem Unternehmen kaufen gefälschte Profile, um den Eindruck zu erwecken, sie hätten auf Social Media viele Follower und Fans. Der Niederländer Lennart V. ist einer, der Fake-Accounts programmiert, gegen Geld.


Weltweit gibt es bereits weit mehr als 100 Millionen Fake-Accounts. Profile, hinter denen kein realer Mensch, sondern ein Bot, steckt. Sie nisten sich in unsere Facebook-, Twitter-, Instagram- oder Tumblr-Profile. Ein einziger Coder kreiert locker tausende Profile am Tag. Diese verkauft er entweder direkt an Unternehmen, die noch etwas mehr «Freunde» in ihren Profilen wollen. Oder — noch lukrativer — die Fake-Profile werden an grosse Zwischenhändler verkauft, die Follower und Friends im Multipack für Dritte anbieten.

Lennart V. aus den Niederlanden ist einer dieser Social Bot-Programmierer. Der 18 jährige, der im Netz unter dem Pokemon-Pseudonym «Tyranitar» aktiv ist, vertickert Hunderttausende Profile an Grosshändler wie beispielsweise das britische Unternehmen Socialstamp. Dieses wiederum verkauft die Profile weiter an Firmen und Private.


Lennart, weshalb und wann hast du angefangen Social Bots zu programmieren?

Angefangen hat alles, als ich 13 Jahre alt war. Also vor etwa fünf Jahren. In einem Hackerforum habe ich einen Thread eines Users zu einem Social Bot gesehen. Die Art und Weise, wie so ein Bot funktioniert, hat mich total fasziniert. Ich beschloss, selber Bots zu programmieren. Ausserdem realisierte ich, dass sich damit gutes Geld verdienen lässt.


Es war dir von Anfang an klar, dass daraus ein Business werden soll?

Ja, ich wollte ein Big Seller im Social Media Markt werden und die besten Bots anbiete


Wie funktioniert dieser Markt? An wen verkaufst du?

Früher habe ich Fake-Accounts direkt an Endkunden verkauft, also Firmen oder Privatpersonen. Das lohnt sich nicht mehr, weil die für einen einzelnen Account fast nichts mehr bezahlen. Ausserdem ist es auch extrem heikel, da es bei privaten Kunden schneller auffällt, wenn einer 30 Follower hat und am nächsten Tag 10 000. Twitter oder Facebook würden das sofort bemerken und die Accounts löschen.


Welche Social Media-Plattform ist für dich am lukrativsten? Facebook, Twitter, Instagram oder Tumblr?

Mit Facebook-Bots lässt sich kaum noch Geld verdienen. Dieser Markt wird zurzeit von Billig-Programmieren überschwemmt. Ich fokussiere mich auf Instagram- und Tumblr-Bots. Hier kann man ganz gut Kohle machen. Ausserdem verkaufe ich nur noch an Zwischenhändler wie das britische Unternehmen Socialstamps. Solche Unternehmen zahlen besser und nehmen erst noch grössere Mengen.


Von welcher Menge sprechen wir hier?

Normalerweise biete ich Pakete ab 10 000 Accounts an.


10 000 Accounts, die müssen ja alle einen anderen Namen und ein anderes Profilbild haben. Woher nimmst du diese Daten?

Die Profil-Fotos und Namen nehme ich beispielsweise von fakenamegenerator.com, solche Seiten sind sehr effektiv und ein bequemer Weg, an unechte Personendaten zu kommen. Dort lassen sich innert Kürze fiktive Namen, Berufe oder sogar fiktive Kreditkartennummer und Blutgruppen erstellen. Auf randomuser.me lässt sich dazu noch ein passendes Profilbild finden. Gerade für Twitter-Accounts verwende ich oft Avatare als Bilder. Auf meiner Harddisk habe ich mittlerweile eine grosse Avatar-Sammlung angelegt, die ich von deviantart.com herunter gekratzt habe.


Wie lange brauchst du für die Erzeugung von, sagen wir mal, 1 000 Accounts?

Dafür brauche ich etwa eine bis zwei Stunden. Leider wird es immer schwieriger, solche Accounts zu erstellen. Twitter beispielsweise ändert seine Sicherheitsbestimmungen zwei Mal im Monat. Das heisst, dass Fake-Accounts zunehmend von Twitter oder Facebook erkannt werden. Die sind manchmal schneller als ich arbeiten kann. Es ist schon vorgekommen, dass ich innert sechs Monaten nur 100 000 Accounts verkaufen konnte.


Dein Business wird also zunehmend härter?

Ja, wenn ich beispielsweise 1 000 Accounts an einem Tag erstelle, kann ich davon ausgehen, dass 99 Prozent davon von Twitter oder Facebook gelöscht werden. Die Chancen auf Erfolg sind allerdings viel höher, wenn ich Accounts mit einer Phone Verification erstelle, wenn ich also bei jedem Account eine Telefonnummer hinterlege. Bei Social Media-Plattformen muss man sich meistens mit einer Telefonnummer registrieren und erhält dann per SMS einen Code, den man eingeben muss.


Wie kommst du an solche Telefonnummern?

Voll funktionsfähige virtuelle Telefonnummern, die eine SMS erhalten können, sind rar. Die einzige Möglichkeit, an solche Nummern zu gelangen ist, sie zu kaufen. Eine Nummer kostet etwa drei Dollar. Mit einer Nummer kann man maximal drei Accounts erstellen.


Bei 10 000 Accounts geht das ganz schön ins Geld.

Ja, ich habe deshalb angefangen, nicht mehr nur Fake-Accounts zu programmieren, sondern auch die Software, die man für die Account-Erstellung braucht. Programmierer solcher Account Creators sind rar. Vor allem Account Creators für Instagram sind sogar sehr rar. Ich gehöre weltweit zu etwa einer handvoll Leuten, die Instagram-Bots programmieren können. Umso kleiner der Kreis, umso grösser sind die Gewinne.


Dann machst du dein Geld jetzt also vorwiegend mit Account Creators?

Ja, ich hoffe, dass ich meinen Instagram Account Creator bald verkaufen kann. Jemand hat mir bereits 5 000 Dollar geboten dafür. Das ist mir aber zu wenig, ich möchte mindestens 10 000 Dollar dafür. Erst kürzlich hat ein anderer Coder den Quellcode seines Account Creators für 20 000 Dollar verkaufen können. Vor etwa zwei oder drei Jahren habe ich einen Account Creator für Twitter entworfen, der die Telefon-Verifizierung umgehen konnte. Dafür hat mir jemand 2 000 Dollar bezahlt.


Die Programmierung von Account Creators ist also aufwändiger als das Erstellen von Fake-Accounts?

Der Instagram-Account-Creator war wirklich tricky. Anders als bei Facebook oder Twitter kann man sich bei Instagram nur über eine App und nicht direkt auf deren Website registrieren. Fake-Accounts lassen sich also nicht so einfach in das soziale Foto-Sharing-Netzwerk intergrieren. Ich musste dafür das Instagram-Verschlüsselungsprotokoll SSL, Secure Sockets Layer, knacken. Dadurch konnte ich die Registrierungsbedingungen bei Instagram ändern und letztendlich den Account Creator programmieren.


Bots werden immer intelligenter und sind zunehmend in der Lage, auf Tweets oder Posts zu antworten und tun so, als ob ein echter Mensch dahinter steckt. Kannst du solche intelligenten Bots auch?

Ich arbeite zurzeit an einem intelligenten Bot für Twitter. Aber authentische Kommunikation zwischen Bot und User ist nach wie vor sehr schwierig. Das geht dann schon in Richtung Künstliche Intelligenz, oder man müsste zumindest alle potentiellen Antworten auf mögliche Fragen vorher genau definieren. Der Avatar Eve auf existor.com beispielsweise ist in der Lage, mit realen Nutzern zu kommunizieren. Mein Twitter-Bot kann nicht sprechen, ist aber in der Lage, zufälligen Menschen zu folgen. Der technische Fortschritt ist gewaltig. Vor zwei bis drei Jahren waren Bots richtig dumm im Vergleich zu heute.


Social Media-User stören sich an Fake-Accounts und Twitter, Facebook und Co. bekämpfen Bots. Hast du kein schlechtes Gewissen?

Nein, immerhin kann ich gut davon leben, zurzeit wenigstens.


Es gibt immer mehr Bots. Mehr als 100 Millionen mittlerweile. Was, wenn es im Internet irgendwann mehr Bots als reale Nutzer gibt?

Das wäre schon etwas unheimlich, hoffen wir, dass es noch lange nicht so weit ist.


Erschienen bei medium.com