In deutschen Meeren gibt es keine Pottwale. Eigentlich. Einer aber hat es bis nach Stralsund geschafft - auf dem Landweg. Text: Philipp Beng, Fotos: Hannah Francke
Noch bevor man Norbert sehen kann, riecht man ihn: eine Mischung aus Blut und Fisch und Erde. Die mit Schlössern und Riegeln gesicherte Eisentür zu seiner Grabkammer schwingt auf. Eissplitter bröckeln vom Rahmen, und sofort breitet sich der beissende Gestank der Verwesung aus. "Dieser Geruch bleibt überall hängen", sagt Michael Dähne. Der 40-jährige Kurator für Meeressäugetiere am Deutschen Meeresmuseum geht auf Abstand zur Tür und schaut mit zusammengekniffenen Augen in die dunkle Kühlkammer hinein. Sie ist bis zur Hälfte gefüllt mit zerlegtem Pottwal. "Wir haben die Knochen vor ein paar Tagen bewegt. Die Schutzanzüge müssen immer noch aushängen."
Der Wal liegt auf Paletten gestapelt, seine Einzelteile kreuz und quer in dem Container verteilt. An der Rückwand, hinter Wirbeln, Kieferknochen und Rippen, lugt der Schädel hervor: drei Meter lang, mehrere hundert Kilo schwer. Von den anderen Wissenschaftern hat das Tier nur eine Kennnummer bekommen: PM21435. Doch weil dieser Wal ein ganz besonderer ist und dies seine Geschichte, verdient er einen Namen. Nennen wir ihn: Norbert. Auch wenn man den herumliegenden Knochen den Wal kaum noch ansieht - dieser Haufen Knochen ist Michael Dähnes ganzer Stolz. Norbert ist sein grösster Fang.
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