Autor: Philip Buchen
Außer Fifa, als ich 16 war und keine Freundin hatte, hab ich in meinem Leben noch kein Videospiel gespielt. Jetzt bin ich 20, mein Beziehungsstatus ist der gleiche und ich hab immer noch kein Interesse an Videospielen. Ich war also eindeutig der perfekte Kandidat, um für bonnFM die Gamescom 2013 in Köln zu besuchen.
Mein erstes Bild der Gamescom 2013 war ein als Pikachu verkleideter 14-Jähriger, der an eine Absperrung urinierte und wieder hatte ich das Gefühl, zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle zu sein. Die pickelige Pikachu-Göre aus Sachsen würde im weiteren Verlauf des Tages im Übrigen noch eine größere Rolle spielen.
Kurz vor neun an einem Samstagmorgen (wer hätte gedacht, dass um diese Uhrzeit die Welt schon existiert?) betrat ich die Eingangshalle. Um mich herum weiße Menschen. Wirklich WEISSE Menschen. Mit meiner zarten Hofgartenbräune fühlte ich mich wie der letzte Mohikaner unter 1000 Eisbären.
Um mir die Zeit zum Einlass zu vertreiben, entschloss ich mich, eine der jungen Frauen in Kostümen zu interviewen, die ebenfalls auf die Öffnung um neun Uhr warteten:
Ich: "Hey, wer bist du denn?'' (auf ihr Kostüm deutend)
Sie: "Ich bin Kasumi, die stolze Kriegerin aus Dead or Alive.''
Ich: "Das ist fantastisch. Und was willst du mal werden, wenn du erwachsen bist?''
Kasumi, die stolze Kriegern aus Dead or Alive, wurde dann ein wenig unfreundlich und ich beschloss zu gehen.
Mein Kampf für freie und glückliche BroteBegeistert zählten diese fremden Wesen den Countdown zur Öffnung der Messetore herunter. Die Szenerie erinnerte mich an Woodstock, nur mit mehr Fielmannbrillen. Zu meiner Erleichterung traf ich auch schon in der ersten Messehalle auf einen Freund: Bernd war da. Bernd das Brot, körnig-knuspriger Held meiner Kindheit und Hauptgrund dafür, dass ich nie Weißbrot essen werde, stand zwischen zwei Weltraummonstern und umarmte Besucher. Er sah nicht glücklich aus. Als er nach einer halben Stunde Nerdknuddeln dann doch von zwei recht abgefuckt wirkenden WDR-Praktikanten hinter seine Bühne gebracht werden sollte, versuchte ich den Mob aufzustacheln: "Lasst Bernd frei! Freiheit für Bernd! Auch Brote haben Rechte!'' Der Mob blieb schweigsam, und aktualisierte seinen Facebookstatus.
Ich entschied, ein paar Spiele auszuprobieren. Da ich alleine auf die Gamescom gefahren war, fragte ich eine rüstige Renterin, die ihren Enkel nervös beim Brechen der Straßenverkehrsordnung einer amerikanischen Großstadt beobachtete, ob sie gegen mich NHL 2013 spielen wollte. Unter dem großkotzigen Johlen ihres muffigen Enkels und seiner noch hässlicheren Freunde bezwang mich die Oma 7:1.
Kein Game auf der GamescomOkay, Spiele waren vielleicht nicht so mein Ding auf der Gamescom. Weil meine ersten beiden Begegnungen mit dem anderen Geschlecht so gut gelaufen waren (man erinnere sich an die humorlose Kasumi aus Dead or Alive und die eiskalte Oma Katharina aus Nippes) entschied ich mich dazu, ein paar eigens für die Location verfasste Pickup Lines auszuprobieren:
"Hey, ich hab zwei Controller, ein Sixpack Red Bull und eine Vorabversion von "Assassin's Creed 4 Black Flag". (tiefer Blick in ihre Augen) Willst du mit mir die Nacht deiner Träume erleben?''
"Hey, ich heiß Mario. Bist du Peach?''
und mein persönlicher Favorit:
" WoW illst du mit mir gehen?''
Abgesehen von einer süßen Messehostess mit Toga und Lorbeerkranz, die mich ein wenig traurig anlächelte, wurde ich ignoriert. Als wäre das alles noch nicht doof genug, sah ich den inkontinenten Pikachu vom Messetor wieder. Seine Zunge steckte tief im Mund eines molligen GothGirls, während die beiden munter über einen Brötchentisch rollend drei aufgeregte Grundschüler von ihrem Currywurst-Mittagessen verscheuchten. Alle hatten Spaß, nur ich nicht.
Ich bin ein Noob, und stolz drauf!Ich ging aufs Klo und heulte ein wenig: Warum konnte ich hier keinen Spaß haben? Das alles erschien mir einfach so grundfalsch. Ich fühlte mich einsam und ungeliebt. Pikachu würde wahrscheinlich nachher einen flotten Dreier mit dem GothGirl und der verklemmten Kasumi haben, während ich allein mit der KVB Richtung Bonn dödeln würde.
In diesem katharsischen Moment wurde mir etwas klar: Ich bin der Nerd hier. Der Außenseiter, der Noob, der blöde Hobbit, der Volldepp. Ich gehöre hier einfach nicht hin. Ganz wie E.T. wurde mir klar, dass ich dringend nachhause telefonieren musste. Also verließ ich die Gamescom bereits zwei Stunden nachdem ich sie betreten hatte. Und ich werde wahrscheinlich auch nicht wiederkommen, außer natürlich die süße Römerin ruft mich doch noch an.
Foto: Philip Buchen, bonnFM