Jedes Jahr sterben etwa 70.000 Menschen in Deutschland am plötzlichen Herztod. Dabei benötigt der Rettungsdienst im Schnitt nur 8 bis 15 Minuten nach Eingang des Notrufs bis zum Beginn einer Reanimation. Das zeigt: Wenn das Herz plötzlich nicht mehr richtig arbeitet, entscheidet jede Sekunde darüber, ob der Betroffene überlebt. Deshalb können Laien Leben retten. Erste-Hilfe-Apps wollen dabei unterstützen.
Doch was leisten digitale Notfallpässe und Anleitungen wirklich?
Auf vielen Smartphones lässt sich mittlerweile ein sogenannter Notfallpass einrichten, der auch bei gesperrtem Bildschirm zugänglich ist. Nutzer älterer Smartphones können sich Apps wie "Notfall ID" (Android) auf ihr Handy laden. Die Programme informieren Helfer im Notfall über wichtige Punkte wie Name, Notfallkontakt, Blutgruppe, Vorerkrankungen und Allergien - auch wenn der Besitzer des Smartphones nicht ansprechbar ist.
Silvia Darmstädter vom Deutschen Feuerwehrverband glaubt trotzdem nicht, dass solche Apps zumindest im Ernstfall etwas nützen: "Um erst nach einem Handy zu suchen, ist im Notfall keine Zeit." Sie könne sich eher vorstellen, dass diese Informationen später im Krankenhaus von Vorteil sind, um Angehörige des Patienten zu kontaktieren.
Generell seien solche Smartphone-Tools aber sinnvoll: "All diese Apps sensibilisieren für den Umgang mit der Notfallsituation und frischen das Wissen rund um die Reanimation auf. Das ist besser als nichts." Einen Erste-Hilfe-Kurs ersetzen sie aber auf keinen Fall, so die Expertin.
Lennart Holtkämper vom Fachmagazin "Connect" findet die auf dem Smartphone hinterlegten Notfallinformationen datenschutzrechtlich bedenklich: "Jeder kann die Daten abrufen. Außerdem kann das Telefon auch verwechselt werden, sodass Helfer die Daten falsch zuordnen. Deshalb prüfen Ärzte im Ernstfall die medizinische Angaben noch einmal selbst und nutzen die Apps nicht."
Eine größere Unterstützung in der Praxis sind dagegen Erste-Hilfe-Apps, die Handlungstipps für den Ernstfall bieten. Sowohl Organisationen wie das Deutsche Rote Kreuz (DRK), der Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) und die Malteser als auch einzelne Stiftungen wie die Deutsche Herzstiftung haben Apps konzipiert, die im Notfall bei schneller Hilfe unterstützen sollen.
Das DRK bietet gleich zwei Apps an: Die erste, "Mein DRK", ist kostenlos. Nutzer finden dort Notrufnummern und die Rubrik "Mein kleiner Lebensretter". Dort ist erklärt, wie man Notfälle, beispielsweise einen Schlaganfall oder Herzinfarkt, erkennt und reagiert. Die Anleitungen sind aber eher nichts für den Notfall. Sie sind zu lang, und zu den wichtigen Tipps muss man erst scrollen.
Für eine Wiederbelebung gibt es drei einfache Regeln: prüfen, rufen und drücken. Bricht eine Person bewusstlos zusammen, prüft man erstens durch Schütteln an den Schultern, ob sie noch reagiert, und beobachtet, wie sie atmet. Als Zweites ruft man den Rettungsdienst über die Telefonnummer 112. Bis zum Eintreffen des Notarztes muss drittens sofort mit der Wiederbelebung begonnen werden. Dazu wird auf den Brustkorb des Patienten idealerweise mit einer Geschwindigkeit von 100 Mal pro Minute etwa fünf Zentimeter tief gedrückt. Damit sollte man nicht aufhören, bis Hilfe eintrifft.
Die zweite DRK-App heißt "Erste Hilfe". Sie kostet für Android-Geräte 89 Cent und für iPhones 1,09 Euro. Sie beinhaltet neben dem Kleinen Lebensretter eine interaktive Begleitung im Notfall durch Ja-Nein-Fragen. Außerdem kann man über die App einen Notruf absetzen.
Während die Apps des DRK sehr umfangreich sind und technisch gut funktionieren, ist die App des ASB veraltet und deshalb nicht empfehlenswert, sagt Holtkämper. Das gelte auch für die Malteser-App.
Die App "Notfall-Hilfe" der Pass Consulting Group listet dagegen nach seiner Ansicht übersichtlich Notfallszenarien auf und erklärt, was zu tun ist. Über die App kann der Nutzer außerdem einen Notruf absetzen und sich etwa den passenden Rhythmus für eine Herzdruckmassage vorspielen lassen. Die App bestimmt auch die aktuelle Position und kann sie versenden.
Die App der Deutschen Herzstiftung ist nur auf Herznotfälle spezialisiert. Dafür ist sie äußerst übersichtlich und führt mit klaren Ja-Nein-Fragen auch durch Notsituationen. Aus der App heraus lässt sich ebenfalls ein Notruf absetzen.
Bernd Böttiger ist Experte für Wiederbelebung. Die Schritte "Prüfen, Rufen, Drücken" seien im Ernstfall besonders wichtig, erklärt er. Ihre Berücksichtigung machten deshalb eine gute App aus. Die App der Deutschen Herzstiftung folgt genau diesen Schritten und ist als einzige der Anwendungen ausreichend übersichtlich, um sie in einer Notsituation einigermaßen schnell bedienen zu können.
Der Intensivmediziner sieht Notfall-Apps aber grundsätzlich kritisch: "Wenn man einen Notruf absetzt, kann die Leitstelle telefonisch kompetentere Hilfe bei der Reanimation leisten und viel besser auf den Ersthelfer eingehen." Außerdem sei der Nutzen solcher Apps bis heute noch nicht wissenschaftlich belegt.
Da die sogenannte Telefonreanimation nicht von allen Leitstellen angeboten wird, fände er Apps wie etwa "Mobile Retter" sinnvoller, die professionelle Ersthelfer aus der näheren Umgebung rufen. Apps wie diese könnten sowohl auf dem Land als auch in Großstädten eine sinnvolle Ergänzung zum regulären Rettungsdienst sein.
Rétablir l'original