Seit Wochen protestieren in Polen Zehntausende gegen die restriktive Abtreibungspolitik. Aus ihren Boxen wummern Songs von Maria Peszek. Als Feministin und Atheistin ist sie eine Gegenstimme im tiefkatholischen Polen. Ein Porträt.
„Sorry Polen, ich würde nicht für dich in den Krieg ziehen." „Das christliche Kreuz spaltet wie ein Rasiermesser." Und: „Ich werde keinen Sohn gebären, keinen Baum pflanzen, kein Haus bauen. Ich möchte keine Kinder." Das sind Zeilen aus Songs von Maria Peszek, die sich selbst Punk-Rock-Poetin nennt. Seit sie 2005 ihr erstes Album veröffentlicht hat, schreibt sie Songs, die provozieren. Protestsongs. Und so machen sie die aktuellen Proteste in Polen sehr glücklich: „Seit Jahren träume ich von so einer Revolution! Es geht dabei nicht nur um das Recht auf Abtreibung, das ist nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Es geht um viel mehr, um alles! Es geht um die Trennung von Staat und Kirche, es geht um Demokratie, es geht um Menschenrechte und es geht darum, Polen zu retten", so die Musikerin.
Der Blitz steht für WutMaria Peszek ist Teil dieses Protests, obwohl sie wegen ihrer Angst vor Menschenmengen nicht selbst auf die Straße gehen kann. Ein Bild in den sozialen Medien zeigt die 47-Jährige mit entschlossenem Blick, ihre kurzen, blond gefärbten Haare fallen ihr ins Gesicht, auf das sie mit Theaterschminke einen roten Blitz gemalt hat. Der Blitz steht für Wut, er ist das Symbol der zornigen Polinnen, die gerade für ihre Rechte demonstrieren, Straßen blockieren, streiken - und dabei Lieder von Maria Peszek hören. „Dass meine Songs auf den Demos gespielt werden, ist einmalig für mich. Ich fühle mich, als ob ich als Künstlerin und Mensch einen gesellschaftlichen Beitrag leiste. Für einen Künstler ist das wie ein wahrgewordener Traum. Ich habe immer gehofft, dass meine Songs Leute dazu ermutigen, so eine Bewegung zu starten."
Gespaltenes PolenLieber wäre Peszek allerdings, der Protest wäre gar nicht nötig. Und die rechtsnationalistische Regierungspartei PiS würde nicht allen ihre Vorstellungen von Familie und Moral überstülpen. Allerdings ist Polen nicht erst seit dem Regierungsantritt der PiS vor fünf Jahren gespalten. Jemand wie Maria Peszek, die nicht an Gott glaubt, sich gegen Nationalismus und für die Rechte Homosexueller einsetzt, schlägt seit Jahren Hass entgegen. Nicht nur im Netz, wie Maria erklärt: „Ich bekomme Hassmails, am meisten Angst machen mir aber die Briefe. Weil sich da jemand die Zeit nimmt, mir handschriftlich grauenhafte Dinge zu schreiben. Aber ich passe auf bei meinen Auftritten und ich wurde noch nie öffentlich angegriffen. Ich habe mich daran gewöhnt, denn solche Drohungen bekomme ich, seit ich angefangen habe, Musik zu machen."
„Du wirst kein Vater sein"Die stärksten Gegenreaktionen hat ausgerechnet ein Lied aus dem Jahr 2012 ausgelöst, das ganz zart und persönlich ist: „Nie wiem czy chcę" - übersetzt „Ich weiß nicht, ob ich will" richtet sich an Marias Partner: „Ich liebe dich mehr als alles andere in der Welt", singt Peszek darin. „Aber ich will keine Kinder, ich will keine Mutter sein. Und du (was denkst du darüber?) wirst kein Vater sein." Die Reaktionen auf den Song waren aggressiv und hasserfüllt. Sie zeigen, erklärt Maria, „wie stark die katholische Kirche das Denken der Polen und vor allem polnischer Frauen prägt. Denn aus ihrer Sicht ist die wichtigste Aufgabe einer Frau, sich fortzupflanzen. Ich wehre mich gegen dieses Frauenbild."
HoffnungDie Proteste lassen Maria Peszek hoffen, dass sich in Polen jetzt wirklich etwas verändert: Vor allem junge Leute gehen gerade auf die Straße. Und sie finden eine ganz neue Sprache: kreativ, provokativ, voller Witz und Ironie. Auf ihren Bannern zitieren sie Netflix-Filme und Rap-Songs - ich finde das großartig! Es ist eine moderne Form des Protests. Ein Generationenwechsel steht an. Das macht mir Hoffnung." Gerade arbeitet Peszek an ihrem fünften Album, das 2021 erscheinen soll. Sie lässt sich dabei von jenen inspirieren, die ihre Songs auf die Straßen tragen. Unbequem soll es werden.