Noch ist es auf den Spargelfeldern des Freistaats ruhig. Dicke helle Planen liegen auf den Spargeldämmen im Thüringer Becken. An ihren Enden stehen große Plastikstiegen, hin und wieder durchschneiden Windräder die sonst endlos scheinenden weißen und braunen Streifen. Dass derzeit noch nicht geerntet wird, würde am Wetter liegen, sagt Michael Hampus. Strenge Nachtfröste und niedrige Tagestemperaturen sind kein Spargelwetter.
Doch auch die Corona-Krise stelle seinen Betrieb und den zugehörigen Spargelhof Kutzleben derzeit vor große Herausforderungen, berichtet der Geschäftsführer TSB Thüringer Spargel und Beerenfrüchte GmbH. Durch das Ausbleiben der polnischen und rumänischen Erntehelfenden sei nun die bevorstehende Saison gefährdet. Auf rund 150 Hektar bauen die Kutzlebener ihren Spargel an und gehören damit zu den größten Produzenten im Freistaat.
„Viele denken, das ist ein Hilfsjob, das kann jeder", meint Michael Hampus und erklärt zugleich, dass es eben nicht so sei. Zwar sei der Preis der osteuropäischen Mitarbeitenden vergleichsweise gering - wegen der unterschiedlichen Sozial- und Rentensysteme gilt für sie, dass Brutto- zugleich der Netto-Lohn ist - dennoch sei dies nicht der einzige Grund für die Bevorzugung: „Das sind einfach Profis, die das seit vielen Jahren machen, die wissen ganz genau, wann und wo eine Spargelstange hochkommt, sehen das schon an der Erde auf dem Damm." Deutsche Spargelstechende mit derartiger Erfahrung und Knowhow seien hingegen sehr selten zu finden. Nun wird auf ministerialer Ebene beraten, wie dem Problem beizukommen sei. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow sagte bereits seine Unterstützung zu, er will sich dafür einsetzen, dass die benötigten Erntehelfer nach Thüringen kommen. „Das leckere Edelgemüse ist gewiss nicht systemrelevant, aber lecker. Die Erwerbs-Gemüse- und Obstbauern sind aber systemrelevant. Denn ohne Obst und Gemüse würde uns von Vitamin C bis zur Landschaftspflege sehr viel fehlen", erklärt Ramelow seine Zusage.
Trotzdem hat das Kutzlebener Unternehmen einen Aufruf für hiesige Erntehelfende gestartet. Vor allem über die eigene Facebook-Seite, aber auch Internetbörsen wie daslandhilft.de oder die Werbeflächen der professionellen Print- und Onlinemedien wird um Erntehilfe geworben. Und die Rückmeldungen seien schon jetzt recht gut, berichtet Michael Hampus. Aus allen Bereichen der Gesellschaft hätten sich Menschen gefunden, die ab April auf den Thüringer Spargelfeldern aktiv werden wollen. Es seien Arbeitslose und öko-bewusste Lehrerinnen, ebenso wie Mitarbeitende aus der Gastro-Branche. „Es gibt viele Spargelesser, die nun einen eigenen Beitrag leisten wollen, um ihr Gemüse auf den Tisch zu bekommen", so Hampus. Für die Arbeit erhalten sie dann den Mindestlohn und eine kostenlose Mittagsversorgung.
Und nicht nur auf den Spargelfeldern gibt es in Kutzleben Arbeit. Auch in der Sortierung und beim Verpacken der Stangen reichen die derzeit vorhandenen Arbeitskräfte nicht aus. Gut 350 Menschen arbeiten normalerweise während der Saison in der Spargelwirtschaft in Kutzleben und Lützensömmern, hinzu kommen Mitarbeitende in Verwaltung und dem hauseigenen Spargelzelt, das außerhalb der Krise feldfrischen Spargel in verarbeiteter Form anbietet.
Auf den Feldern werde immer vom ersten Tageslicht bis in die Mittagsstunden hinein gearbeitet. Ein Rhythmus, der den Temperaturen folgt, wie Michael Hampus erläutert: „Mittags gegen 13 Uhr wird es oft zu warm und man muss aufhören, um am nächsten Tag wieder frisch anfangen zu können."
Zwischen fünf und sieben Euro werde das Pfund Spargel in der kommenden Saison kosten, vielleicht auch etwas mehr, sagt Michael Hampus. Denn die Nachfrage sei bereits da und ziemlich groß. Einziges Manko: Die geschlossenen Restaurants und Gaststätten, welche derzeit keine Bestellungen abgeben und damit sowohl die Direktvermarkter als auch den Großhandel nicht bewegen. Supermärkte wie Rewe oder Edeka hingegen wären schon jetzt sehr aufgeschlossen und könnten es kaum erwarten, dass Spargel - um Ostern herum wird mit dem Anstich gerechnet - in die Regale kommen. Dann aber sei es wichtig, dass die Spargelbauern in der Krise auch von den Konsumierenden unterstützt würden. „Kampfpreise und gegenseitiges Unterbieten gehen in der aktuellen Situation gar nicht", sagt Michael Hampus und meint, dass eine solche Preispolitik das Überleben der eh schon angegriffenen Spargelhöfe in ganz Deutschland gefährden würde.