Günter Warsewa: Bestimmt nicht (lacht). Hunde wird man wahrscheinlich nicht brauchen. In der Tat ist es aber in manchen Bereichen schon so, dass die Maschinen die Arbeit von Menschen übernommen haben. Oft sind diese Roboter bislang hinter Wänden abgeschirmt, um Menschen nicht zu gefährden. Das ändert sich nun ein Stück weit, und Menschen und Roboter arbeiten zunehmend auch zusammen; die Maschinen verlassen die Käfige. Die Wirtschaft besteht aber insgesamt aus vielen verschiedenen Dienstleistungen und materiellen Produktionen. In vielen Branchen, besonders im Dienstleistungs- und Sozialbereich, wird es auf absehbare Zeit immer noch Menschen brauchen.
Forscher der Universität Oxford haben prognostiziert, dass 47 Prozent der Jobs binnen der nächsten 20 Jahre von Maschinen übernommen werden könnten. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung geht von 25 Prozent aus. Sind solche Prognosen realistisch?Die Kollegen führen diese Studien natürlich gewissenhaft und solide durch. Oft werden jedoch verschiedene Methoden verwendet, sodass die Ergebnisse weit auseinanderliegen. Eines ist aber klar: Es wird einen Verlust an Arbeitsplätzen geben und diese werden nicht im gleichen Maß durch neu geschaffene Berufe ersetzt werden. Das haben alle Erfahrungen in den vergangenen 200 Jahren seit der industriellen Revolution gezeigt.
Welche Berufe werden überleben? Welche nicht?Das ist schwer zu sagen. Im Bereich der mittleren Qualifikationen könnten sehr viele Arbeitsplätze wegfallen. Das sind zum Beispiel Tätigkeiten als klassischer Sach- oder Facharbeiter. Das muss aber nicht heißen, dass diese Leute nicht mehr gebraucht und arbeitslos werden. Es könnte auch sein, dass es einen „Fahrstuhleffekt" gibt und etliche dieser Menschen in höherwertige Jobs gelangen. Das ist aber bislang kaum vorauszusagen.
Warum?Wir befinden uns am Anfang einer Entwicklung, bei der wir noch gar nicht absehen können, wie sich die technischen Möglichkeiten und deren Anwendung entwickeln werden. Oft handelt es sich dabei um Insellösungen: Es wird im Einzelhandel andere Auswirkungen geben als im Maschinenbau, im Entertainmentbereich oder in der chemischen Industrie. Die Entwicklungen hängen von den jeweiligen Marktbedingungen ab und von sehr vielen anderen Faktoren.
Ein Zweig, der durch die Digitalisierung wächst, ist die Plattformökonomie. Bei Firmen wie Uber oder Deliveroo werden die Mitarbeiter für den schnellen, kleinen Einsatz bezahlt. Wird sich Arbeit stärker fragmentieren?Die traditionelle Arbeit wurde lange von den Beschäftigten in einem normalen Arbeitsverhältnis verrichtet, seit einiger Zeit zunehmend ergänzt durch viele Arten prekärer Jobs. Durch die Digitalisierung entstehen nun neue Formen der Arbeit, Menschen können etwa in ihrer Freizeit kleine Jobs übernehmen. Eine neue Form ist der Prosumer, also ein Konsument, der gleichzeitig produziert, etwa beim Onlinebanking. Oft passiert das auch über digitale Dienste, über die die Nutzer eigentlich Leistungen tauschen wollen, die dann aber zu einem kommerziellen Geschäftsmodell werden, wie bei der Vermietungsplattform AIRBNB. Hinzu kommen die Menschen, die über die angesprochenen Plattformen arbeiten und die manchmal nur dann für ihre Arbeit bezahlt werden, wenn sie sich im weltweiten Wettbewerb durchsetzen. Da ist dann gar nicht mehr klar, ob sie nun Freelancer, Angestellte oder etwas ganz Neues sind.
Oft bedeuten diese Jobs: kein festes Gehalt, keine soziale Absicherung. Werden damit nicht hart erkämpfte Arbeitnehmerrechte untergraben?Der Arbeitnehmerstatus selbst wird unklar und unscharf. Dadurch verliert das Arbeitsrecht insgesamt an Wirkungskraft. Das ist ein großes Problem bei diesen Plattformtätigkeiten. Diese neuen Arten von Arbeit ermöglichen es, klassische Arbeitsprozesse auseinanderzupflücken und wieder neu zusammenzusetzen - je nachdem, was gerade am rentabelsten, schnellsten oder effizientesten ist.
Wird es zu einer Spaltung des Arbeitsmarkts in Hoch- und Niedrigqualifizierte kommen?Es wird auf jeden Fall eine Auseinanderentwicklung des Arbeitsmarkts geben. Ein Kartoffelschäler, der schwarz in einer Restaurantküche arbeitet, wird nicht durch eine Maschine ersetzt werden. Das würde sich schlicht nicht lohnen. Auf der anderen Seite wird es aufgewertete Jobs geben, die koordinieren, steuern, designen. Jobs, von denen man annimmt, dass sie nicht durch Maschinen ersetzt werden können.
Müssten soziale Berufe in Zukunft nicht nur besser bezahlt werden, sondern auch gesellschaftlich eine viel stärkere Anerkennung erfahren?Ja, das müssten sie. Im Verlauf von Jahrhunderten hat sich gesellschaftlich verfestigt, dass bestimmte Tätigkeiten weniger Wert sind als andere. Wir haben beispielsweise oftmals nicht nachvollziehbare Unterscheidungen zwischen Berufen, die eine akademische Ausbildung brauchen und besser bezahlt werden, und anderen, bei denen das nicht der Fall ist.
Ein Beispiel, bitte.Warum verdient eine Grundschullehrerin, die sechsjährige Kinder betreut, annähernd doppelt so viel, wie eine Erzieherin im Kindergarten, die fünfjährige Kinder betreut? Kein Mensch könnte im Hinblick auf Gerechtigkeit oder Leistung erklären, warum es diese Unterschiede gibt.
In welchen Bereichen gibt es Regulierungsbedarf?Das Arbeitsrecht muss gründlich renoviert werden. Der Arbeitnehmerbegriff muss angepasst werden. Wir brauchen vielleicht auch einen dritten Status zwischen Arbeitnehmern und Selbstständigen. Eine Form, die den Entwicklungen rund um die Plattformen und Internetdienste gerecht wird. Ein anderer Punkt ist die Sozialversicherung: Wer muss bei den Plattformtätigkeiten Arbeitslosen- und Krankenversicherung bezahlen und wie viel? Diese Fragen sind bislang wenig im Blick, sie werden aber auf uns zukommen. In den Betrieben wird man sich außerdem viel mehr mit dem Schutz von Daten- und Persönlichkeitsrechten der Mitarbeiter und Kunden beschäftigen müssen.
Viele Experten glauben, dass es ein viel größeres Angebot an Weiterbildungen geben muss.Das wird überschätzt. In den Diskussionen entsteht oft der Eindruck, da verändert sich schlagartig etwas und viele Leute müssen sich durch Weiterbildungen anpassen. So ist es aber nicht. Es sind schleichende Prozesse. Kommt ein neues Betriebssystem für meinen PC, muss ich mich neu einarbeiten. Das lerne ich aber, während ich damit arbeite. Es gibt immer wieder aufwendigere Programme oder Prozesse. Doch es gibt bereits eine Generation im Berufsleben, die mit all diesen digitalen Möglichkeiten aufgewachsen ist. Das ständige Anpassen an immer neue Bedingungen ist bei ihr schon selbstverständlich. Wenn man einmal verstanden hat, wie die meisten Dinge funktionieren, kommt man mit den meisten Weiterentwicklungen zurecht. Es gibt andere Bereiche, in denen Weiterbildung zukünftig wichtiger wird, etwa bei der Innovationskraft und Kreativität.
Warum überwiegen bei dem Thema Zukunft der Arbeit Ängste und Ressentiments?Viele Menschen machen sich Sorgen, da sie die Erfahrung gemacht haben, dass die Entwicklungen in eine für sie negative Richtung gehen - trotz Beteuerungen seitens der Politik. Das ist aber von Branche zu Branche unterschiedlich. Vertreter von großen Gewerkschaften sagen etwa, dass sie seit 200 Jahren die Industriegesellschaft mitgestaltet haben und man sich darauf auch in Zukunft verlassen könne. Da sind ein großes Selbstbewusstsein und viel Erfahrung vorhanden. Bei Kassierern oder Lageristen sieht es anders aus. Da sind die Befürchtungen ziemlich berechtigt.
In den USA werden Bewerbungsprozesse bereits von Computern übernommen. Sollten einige Entscheidungen Menschen überlassen werden - selbst wenn Maschinen vermeintlich besser darin sind?Das ist eine Frage der Kultur. Ein guter Algorithmus ist unbestechlich und beurteilt die Bewerber objektiver, als wir es können. Das ist aber der springende Punkt: Das, was wir an Objektivität gewinnen, verlieren wir wieder an Subjektivität. Für viele Jobs muss zwischen den Bewerberinnen und Bewerbern und dem Arbeitgeber schließlich „die Chemie stimmen". Ich muss das Gefühl haben, mit der Person zusammenarbeiten zu können, mich auf deren Kompetenzen verlassen zu können und so weiter. Deswegen kann man nicht sagen, das eine ist besser als das andere.
Werden wir in absehbarer Zeit weniger arbeiten?Das hängt sehr von den politischen, gesellschaftlichen und sozialen Kräften und Interessen ab. Durch die neuen Möglichkeiten wird mehr und mehr Arbeitszeit eingespart. Bei Bosch gibt es bereits eine Plattform, um sich kurzfristig freizunehmen und automatisch Kollegen für die Vertretung zu organisieren. Bei der Bahn oder Unternehmen aus der Metallbranche passiert das in einem größeren Maßstab: Dort können die Beschäftigten mittlerweile in gewissem Umfang zwischen mehr Geld oder mehr Freizeit wählen. In Zukunft kann man also durchaus mit kürzeren Arbeitszeiten rechnen. Die Herausforderung ist eher, die Arbeit sinnvoller und gerechter zu verteilen. Die Technologie wird dabei vielleicht auch ein wenig helfen, wir müssen uns aber vor allem als Gesellschaft verändern.
Das Gespräch führte Patrick Reichelt.