Kawus Kalantars Leben ist ein bisschen wie ein Puzzle, bei dem nur noch wenige Teile fehlen, bis es komplett ist. Bisher bestehen die Teile aus glücklichen Zufällen, guten Entscheidungen und, wenn man auf sein Umfeld hört, Talent. Sie haben ihn dahin gebracht, wo sich wahrscheinlich viele Stand-Up-Comedians hin wünschen würden. An die Seite von Felix Lobrecht, der zu den bekanntesten Komikern in Deutschland zählt - als dessen Vorprogramm vor mehrere tausend Menschen.
Kalantar telefoniert nie über Video, das sagt er gleich zu Beginn des Face-Time-Gesprächs, „deswegen kann es sein, dass ich manchmal komisch aussehe." Nö, eigentlich nicht, er sieht genauso aus wie auf den Youtube-Videos von seinen Auftritten. Vielleicht ein bisschen verschlafen, kein Wunder, er hat noch nicht gefrühstückt. Nur die Brille fehlt, die er sonst immer trägt und die aussieht, als wäre sie vor vielen Jahren mal modern gewesen. Auch wirkt Kalantar ernster, als auf der Bühne oder in seinem Podcast „Chips und Kaviar", den er mit einem Kollegen wöchentlich aufnimmt und dort Witze macht - etwa über Inkasso-Unternehmen, die er als „Hooligans mit Rechtskurs" bezeichnet.
Als Stand-Up-Comedian ist er manchmal plump, mal politisch, oft beides. „Ich bin links, aber Amazon ist praktisch", sagt er dann zum Beispiel und spricht aus, was wahrscheinlich viele denken. Er amüsiert sich über seine streng gläubige Mutter oder Hippies und lacht danach ins Mikrofon. Zwischen seine Wörter zieht er ein langes „aaahm" oder betont Sätze so, als würde am Ende ein Fragezeichen stehen. Kalantar lässt sich von amerikanischer Comedy inspirieren, das hört man.
In einer Video-Dokumentation über Felix Lobrecht beschreibt Kalantar seine Geschichte als Märchen, „fast hollywoodmäßig." Bis vor dem Lockdown wird er mit einem Mercedes-AMG quer durch Deutschland chauffiert und übernachtet zwischen den Auftritten in Fünf-Sterne-Hotels. Wie kam das?
Der heute 30-Jährige wächst in der Neuen Vahr Süd auf, zu viert in einer Dreizimmer-Wohnung, als Sohn iranischer Einwanderer. Er geht auf die Schule an der Witzlebenstraße („lustigerweise"), später aufs Hermann-Böse-Gymnasium in Schwachhausen. So richtig „connecten", Anschluss finden, kann er da nicht. Irgendwann legt sich das, aber mit 20 entscheidet er sich, in Rostock Politikwissenschaften zu studieren. Für Comedy begeistert er sich da schon eine Weile, ist schon lange Fan von „Stromberg", „King of Queens" und „Borat". Das spielte er schon in der Schule nach. Heute verbindet er nur noch wenig mit Bremen, sagt er.
In Rostock tritt Kalantar zum ersten Mal auf einem Poetry-Slam auf. Ihm ist bald klar: Wenn er Humor zu seinem Beruf machen will, dann in Berlin. Erst ist da nur der Traum von der Großstadt, doch dann trifft er auf Gleichgesinnte, mit denen er eine Stand-Up-Comedy-Szene in der Hauptstadt gründet. Er und seine Comedy-Kollegen treten fast täglich gegenseitig bei ihren Shows auf. „Wie krass wäre das, wenn ich mit Comedy so viel Geld verdienen könnte wie ein Lehrer?", denkt er damals.
Irgendwann ist da eine Nachricht auf Kawus Kalantars Handy: „Felix Lobrecht hat dich in seiner Instagram-Story markiert." Zu diesem Zeitpunkt weiß niemand, wie bekannt Lobrecht noch werden wird. „Finde wirklich gut, was du machst", schreibt Lobrecht, nachdem er ein Video von Kalantar gesehen hat. Und dann bekommt Kalantar noch eine Nachricht von ihm: „Hast du schon eine Agentur? Ruf mich mal an, wenn du Zeit hast."
Seit September 2019 ist Kalantar Lobrechts Opener, soll also die Stimmung anheizen, bevor der Comedy-Star auf die Bühne kommt. Lobrecht sieht ihn als „absolutes Ausnahmetalent", ist überzeugt: „Wenn Kawus so weiter arbeitet, wird er richtig groß." Kalantar hat etwa zehn Minuten zu Beginn jeder Show, bei der bis zu 5000 Menschen zuschauen. Ein riesen-Privileg für einen Newcomer. „Gleichzeitig habe ich aber auch den Druck gespürt, es ist eine völlig andere Aufmerksamkeit, als ich sie in der Berlin-Underground-Szene hatte." Das brachte ihn nur dazu, sich noch mehr Mühe zu geben, sagt er. „Ich dachte jedes Mal: Wenn ich jetzt nicht kille, also nicht wirklich gut bin, dann kaufen die Leute keine Tickets." Denn auch er spielt ein eigenes Solo-Programm. Kalantar hat nur ein paar Minuten, damit sich die Leute noch nach Lobrechts Auftritt an ihn erinnern.
Das ständige auf-Tour-sein belastet ihn anfangs. Er hat sowieso nicht den besten Schlaf, das wird in ständig wechselnden Hotelzimmern nicht besser. Check-in, Check-out, nächster Auftritt, anderer Ort. „Ich war der neue Typ im Team, das schon eingespielt war, Felix kannte ich da auch noch nicht gut." Lobrecht wurde irgendwann ein Freund, Kalantar Teil der Gruppe. Bald hat der Bremer eigene, größere Auftritte. Zu Lobrecht kommen Tausende, zu ihm erst mal einige Hundert. Aber: „Die ersten einhundert Zuschauer zu kriegen, ist super-schwierig", weiß Kalantar von anderen Neulingen in der Szene.
Gerade als er anfängt, immer größere Shows zu spielen, kommt die Pandemie, das Hoch unterbricht. Das nervt ihn sichtlich. „Ich brauche eine Bühne, um kreativ schreiben zu können", sagt er. Da sind noch der Podcast und eine Show auf Youtube mit ein paar Comedy-Kollegen, kürzlich hat er etwas ironisch einen Kalender mit Weisheiten von sich veröffentlicht.
Aber das reicht ihm nicht. Trotz Podcast, Youtube und Kalender. Kawus Kalantar will wieder richtig auftreten, „killen." Bis das Puzzle perfekt ist.