Wenn nicht bald jemand den Joker aus dem Ärmel zieht, kommt der große Knall.
Gestern standen wir noch vor dem Abgrund, heute sind wir einen Schritt weiter, heißt ein Spruch. Schon bei den Oktober-Gipfeln wartete alles auf den großen Befreiungsschlag, ohne den wir dem Euro wohl bald adieu sagen. Nun stehen wir schlimmer da, als vor vier Wochen. Die Oktober-Beschlüsse hielten der Belastungsprobe der beharrlich fortschreitenden Schulden- und Bankenkrise nicht stand: zu träge und schwach. Der Rettungsfonds allein vermag uns nicht weit genug aus der Schuldenklemme herauszuhebeln. Ein paar hundert Milliarden reichen längst nicht, falls große Länder wie Spanien und Italien weiter straucheln.
Das marode Fundament der Währungsunion zerbröselt gefährlich unter den Lasten von Schulden und Unentschlossenheit. Streit, Grüppchenbildung, Verweigerung an vielen Fronten der EU-Länder und der Eurogruppe. Verständlich, dass Anleger in Scharen aus Staatsanleihen stürzen, deren Sicherheit sie nicht trauen. Selbst Papiere der Bundesrepublik gehen mittlerweile nicht immer weg wie warme Semmeln. Wucherzinsen machen geliehenes Geld für Krisenstaaten immer teurer. Und ohne Investoren kann das mit dem Rettungsfonds nichts werden.
Der Blick in die USA zeigt, dass dieses Misstrauen der Finanzmärkte gegenüber der Politik mittlerweile weltweite fatale Auswirkungen hat. Zudem trauen die Banken selbst Ihresgleichen nicht mehr über den Weg. Statt sich gegenseitig Geld zu leihen, horten sie Überschüssiges bei der Europäischen Zentralbank. Die Staatsschulden verstärken die Probleme der Banken und so dreht die Krise sich weiter im Kreis und kein Ende des Schreckens ist in Sicht, solange Politiker und Bürger der noch soliden Staaten nicht die Schrecken und Risiken dieses Endes in Kauf nehmen wollen.
Wie wichtig ein starkes, schnelles und einiges Signal im Kampf gegen die Krise wirkt, zeigte gestern der positive Börsenkurssprung auf den Beschluss der Zentralbanken, der Geldnot auf dem weltweiten Finanzmarkt vorzubeugen.
Derweil verlieren sich die Staats- und Regierungschefs im Papierkram, Expertenberatungen und ewigen Verhandlungsdebatten. Sie unterschreiben Abkommen, in denen sie geloben, künftig brav kein Geld mehr aus dem Fenster zu werfen. Doch Pläne A, B und C zur Fiskalunion leiden genauso wie die verschiedenen Varianten gemeinsamer Anleihen am fehlenden Konsens der Länder und ihre Umsetzung dauert.
Europas Politiker haben keine Zeit. Ein Aufschwung durch Sparpolitik stellt sich frühestens in einem Jahr ein. Pokerspiele um die Gelddruckmaschine der Europäischen Zentralbank (EZB), Vertragsänderungen, Elite- oder Eurobonds sind mehr als unangebracht. Bis die schärferen Haushaltspläne fruchten und Verträge geändert sind, muss eine schnelle Lösung her. Und die EZB könnte solche liefern.
Wenn jetzt nicht schnell ein Joker auf den Tisch gelegt wird, lässt sich der Fall Italiens und damit der Kernstaaten Europas nicht mehr aufhalten. Manager von Weltkonzernen proben bereits den Ernstfall, nämlich das Aus des Euros. Sie prüfen die mögliche Auswirkung auf ihre Geschäfte. Nach den Finanzmärkten trauen nun auch sie den Politikern Europas nicht mehr zu, die Situation in den Griff zu bekommen. Die immer neuen Einfälle wirken auf sie wie verzweifelte Griffe nach Strohhalmen, weniger nach bewusstem Kalkül.
Alle Beschlüsse sind nicht das Papier wert, auf denen sie gedruckt sind, wenn nicht schnell Taten samt Erfolg folgen. Schön-Wetter-Mienen beim nächsten Gipfel will keiner mehr sehen. Die Stimmung wird erst aufhellen, wenn Kreditraten für Krisenstaaten bezahlbar sind. Am 9. Dezember müssen die Staats- und Regierungschefs endlich klare Ansagen machen, die nicht nur gut klingen, sondern tatsächlich prompt wirken.
Von Patricia Dudeck, MZ