Es ist, als betrete man ein geheimes Forschungsgelände wie aus einem Spionage-Film - zwölf Kilometer von Karlsruhe entfernt, ein Areal mitten im dunklen Wald. Hinter dem Schlagbaum erkennt man Werkhallen, Flachbauten, Schornsteine, die in den bedeckten Himmel ragen. Uran und Plutonium werden gelagert auf dem Gelände, das einmal das deutsche Kernforschungszentrum war. Heute ist hier der Campus Nord des Karlsruher Institutes für Technologie, kurz KIT , zu Hause. Es klingt wie Ironie der Geschichte - aber mit etwas Glück ist dies der Ort, an dem vielleicht die Erfindung gemacht wird, die den Strom von morgen für alle liefert. Und Atomstrom für immer überflüssig macht. Sauber, emissionsfrei, günstig, mit der Kraft der Sonne. Ausweiskontrolle, der Schlagbaum geht hoch.
Michael Kant, 26, Maschinenbaustudent, hat den Kragen seiner Seemannsjacke hochgeschlagen, breites Lachen, braunes Haar, so lehnt er in der Kaffeeküche des KIT -Flüssigmetalllabors. Kant ist der Sprecher von „reech", einer Gruppe von Studierenden der Ingenieurwissenschaften, die gemeinsam einen spektakulären Wettbewerb auf die Beine gestellt hat: die sogenannte Renewable Energy Challenge. Die Aufgabe: ein Kraftwerk bauen, mit ganz einfachen Mitteln, so klein, dass es mit nur zehn Quadratmeter Fläche in eine Garage passt, betrieben mit erneuerbarer Energie. Neben Michael Kant sitzt Charlotte Meyer, 25, eine von drei Frauen bei reech, sie studiert Wirtschaftsingenieurwesen und ist unter anderem für die Finanzen des Vereines verantwortlich. „Wir wollten nicht bloß über Kraftwerke aus erneuerbaren Energieträgern reden, wir wollten sie auch bauen lassen", erklärt Meyer. Ein Konstruktionswettbewerb musste her, eine Challenge für die fähigsten Studierenden-Ingenieursteams der Universität. reech suchte und fand Förderer, Sponsoren; die Bürgermeisterin von Karlsruhe verlieh ihnen 2012 den Preis „Wissen und Kompetenz". Währenddessen machten sich sieben Ingenieursteams vom Karlsruher Campus an die Arbeit. Konstruktionspläne wurden eingereicht, eine Jury aus KIT -Professoren und Sponsoren wählte zwei aus, die jetzt tatsächlich ein Sonnenkraftwerk bauen: die Teams „GreenAirEnergy" und „Solenik" mit einem Budget von je 1.500 Euro.
Durch die Technikumshalle des Campus Nord dröhnt Reggaemusik. Vorbei an Laboren, in denen rot, blau, gelbe Rohrkonstrukte aufgestellt sind, führt eine Metalltreppe auf eine zweite Ebene. Acht Studierende von „GreenAirEnergy" bohren, schrauben und schneiden Holz, Plexiglas und Styropor. Ein Konstruktionsplan klebt am Metallschrank, daneben stehen drei Werktische.
Vier Studierende heben ein Absorberblech auf einen bettgroßen Holzkasten. Später soll die Sonne das schwarze Blech erhitzen, Luft erwärmen, die wiederum einen Stirlingmotor antreiben soll. Klingt kompliziert - ist es aber nicht: Der Stirlingmotor funktioniert ähnlich simpel wie eine Dampfmaschine; das Prinzip ist 200 Jahre alt. Messen, bohren, schrauben. „Das ist wie Malen nach Zahlen", sagt Lukas Kaul, 24, der sich immer wieder seine blonden Haare aus den Augen schiebt. „Das Schöne ist, dass wir die Zahlen selbst gemacht haben. Wir bauen Lowtech auf Low Budget", sagt er - und man hört heraus, wie stolz er ist. „Das Modul, das wir gerade bauen, kann in unseren Breiten an einem Sonnentag eine Leistung von etwa 60 Watt produzieren", sagt Kaul. Das reicht bis dato zum Laden von drei, vier Handys, doch bei mehr Sonne steigt auch die Leistung des Kraftwerkes. Das Team steht unter Zeitdruck: Im Juni sollen sie ihr Kraftwerk auf dem Campus Süd in der Karlsruher Innenstadt präsentieren - vor Unternehmern der Erneuerbare-Energien-Branche und vor Wissenschaftlern.
Guter Plan - sieben Teams haben Konstruktionspläne eingereicht, zwei bauen jetzt ein Kraftwerk.Ob ihre Konkurrenten vom Team „Solenik" zum Sommer mit ihrem Kraftwerk überhaupt startklar sind, ist zu diesem Zeitpunkt noch völlig unklar. Das Konzept von „Solenik" ist weitaus aufwendiger und teurer als das einfache Kraftwerk von „GreenAirEnergy". Ein Aluminiumgestell dient als Gerüst für schachbrettartig angelegte Linsen und Spiegel, mit denen die Solarstrahlung auf einen Punkt konzentriert werden soll. Die geballte Hitze soll dann einen Generator antreiben. Soweit die Theorie - praktisch hat Team „Solenik" noch nicht alle Teile besorgt. Zu teuer, zu aufwendig; kein Wunder, dass Lukas Kaul vom Konkurrenzteam siegessicher grinst und sich seinen dunkelroten Schal zurechtzupft: „Das Spektakuläre an unserer Anlage ist ihre technische Einfachheit", sagt er. Sie könne etwa in einem Dorf in Afrika für zehn beleuchtete Räume sorgen, Schulcomputer mit Strom versorgen oder eine Wasserpumpe antreiben. „Unser Traum wäre, dass unser Kraftwerk in Entwicklungsländern von den Menschen vor Ort nachgebaut wird", sagt Kaul. Auf die Frage, ob das Team seine Erfindung denn nicht per Patent schützen will, schüttelt Kaul den Kopf. „Wir wollen kein Geld machen. Wenn jemand auf dieser Welt unsere Anlage gebrauchen kann, sind wir glücklich."