Die USA, das gelobte Land - zumindest im Boxsport gilt das noch, wenn man Karl-Robin Sauerland glauben darf, den alle "Kalle" nennen. Der 39-Jährige ist Deutschlands bekanntester Boxpromoter und derzeit viel unterwegs. Immer wieder flog er in die USA, um mit anderen Veranstaltern zu sprechen. Sauerland ist auf der Suche nach einem neuen Markt. In Amerika kassieren Superstars wie Floyd Mayweather und Manny Pacquiao mehr als 100 Millionen Dollar pro Kampf, in Deutschland ist für Sauerland nicht mehr viel zu holen.
Einer seiner Boxer ist der Weltmeister Jack Culcay, am Samstag (22:15 Uhr, ProSieben Maxx) tritt der deutsche Halbmittelgewichtler gegen Demetrius Andrade aus den USA an. "Wenn er da gewinnt, wird sein nächster Kampf wahrscheinlich in den Vereinigten Staaten stattfinden", hofft Sauerland. Nicht nur Culcay soll in den USA Kasse machen - Sauerland ist beteiligt an der neu gegründeten World Boxing Super Series.
Ab September 2017 soll ein Boxturnier in zwei Gewichtsklassen mit je acht Boxern stattfinden. Im K.-o.-Format wird dort der Gewinner der "Muhammad Ali Trophy" ermittelt. Das Preisgeld: 50 Millionen US-Dollar. Es ist nicht das erste Turnier im Boxsport. Von Oktober 2009 bis Dezember 2011 traten sechs Boxer aus dem Mittelgewicht, darunter Arthur Abraham, in der Super Six Series gegeneinander an.
Die Kämpfe waren spektakulär, der Modus weniger. Aufgrund einer Vorrunde mit Gruppenphase und mehrerer Kampfverschiebungen zog sich das Turnier lange hin. Das soll nicht noch einmal passieren: Laut Sauerland würde im Falle einer Verletzung sofort Ersatz parat stehen. Wer bei der World Boxing Super Series überhaupt antreten darf, soll eine unabhängige Jury entscheiden. Abzuwarten bleibt allerdings, ob die vier großen Weltverbände WBO, WBA, WBC und IBF wirklich so kooperieren, wie es der Veranstalter verspricht.
Sauerland verbindet mit dem neuen Boxturnier große Hoffnungen: Deutsche Boxer könnten sich auf sportlichem Wege für die Mega-Börsen qualifizieren. Dafür braucht es Kämpfer wie Axel Schulz oder Vitali Klitschko, die in den USA boxten und Stars wurden. Allzu viel Zeit hat der Promoter nicht, um neue Publikumsmagneten zu finden. "Arthur Abraham und Jürgen Brähmer sind unsere Quotenbringer, aber die haben vielleicht noch ein oder zwei Jahre. Wir brauchen neue Helden", sagt Sauerland.
"Heldentaten lassen sich nicht planen"
Vom Heldenstatus sind seine derzeitigen Hoffnungsträger noch ein gutes Stück entfernt. WBA-Weltmeister Tyron Zeuge aus Berlin, der am 25. März seinen Titel gegen Isaac Ekpo verteidigt, ist eher Insidern ein Begriff. Und Culcays bislang letzten Kampf wollten im TV nur 1,59 Millionen Menschen sehen - enttäuschend. Die übertragende Sendergruppe ProSiebenSat.1 Media hat ihre Schlüsse daraus gezogen und zeigt Culcay statt wie bisher auf Sat.1 auf ProSieben Maxx.
"Manchmal kann man nicht erklären, warum Boxer zu Superstars werden", sagt Sauerland. "Selbst bei Henry Maske liefen die Ticketverkäufe lange mau. Seine Kämpfe waren nicht spektakulär. Auf einmal boxte er um die WM gegen Prince Charles Williams und die Halle in Düsseldorf war ausverkauft. Mein Vater (Promoter Wilfried Sauerland, Anm. d. Red.) kann sich das bis heute nicht erklären."
Einfacher ergründen ließ sich, warum Abraham zum Star wurde. Dass er einen WM-Kampf trotz Kieferbruch gewann, machte ihn legendär. "Boxer werden durch Heldentaten berühmt. Aber die lassen sich nicht planen", sagt Sauerland. Doch je mehr Boxer ein Promoter hat, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit auf einen Erfolg.
Große Kämpfe künftig nur noch im Pay-TV?
Der gesamte Boxstall steckt in einem Wandel. Die Fernsehgelder sind nicht mehr so hoch wie früher bei der ARD, Sauerland muss dringend sparen. Viele der 19 Boxer finanzieren ihr Training selbst. Auch die Bezahlung der Trainer wird nun häufig - wie in anderen Ländern üblich - an die Athleten weitergegeben.
Überhaupt orientiert sich Sauerland an den großen Märkten. In Nordamerika zahlen die Fans bereitwillig 99 Dollar, um einen Mayweather-Kampf im TV zu sehen. Im April vergangenen Jahres gab es auch hierzulande einen Pay-per-View-Versuch beim WM-Fight zwischen Abraham und Gilberto Ramírez. Wie viele Zuschauer zahlten, behielt der Anbieter für sich, Sauerland versichert aber: "Unser Partner war mit dem Ergebnis zufrieden. Die Zeiten, in denen alles im Free-TV lief, sind vorbei."
Zahlende Zuschauer erwarten allerdings Top-Duelle. In den Neunzigerjahren träumten die Fans von einem Kampf zwischen Henry Maske und Dariusz Michalczewski, im Folgejahrzehnt von Arthur Abraham gegen Felix Sturm. Stattgefunden haben diese Kämpfe nie, die Stars gingen sich hierzulande aus dem Wege. "Das wollen wir im zweiten Halbjahr ändern", sagt Sauerland und verspricht stallinterne Duelle. "Einen Kampf zwischen Zeuge und Brähmer oder zwischen Abraham und Brähmer kann ich mir gut vorstellen. Der deutsche Boxsport braucht solche Kämpfe."
Und Sauerland kann sie auch ganz gut gebrauchen.