Eines vorweg: Florian Silbereisen hat nicht gesungen. Man muss das erwähnen bei dieser Ausgabe von "Wetten, dass..?", denn Markus Lanz hat bis zu Silbereisens Auftritt sonst jeden anderen seiner Gäste dazu überredet, zu singen, zu jodeln oder sonst irgendwelche Geräusche mit Mund und Stimmbändern zu fabrizieren. Zum Beispiel Sängerin Céline Dion.
Es hatte nicht gereicht, dass sie ihren neuen Song präsentierte. Es hatte auch nicht gereicht, dass sie noch vor ihrem Weg von der Bühne zur Couch höflich ein paar gesungene Zeilen auf Deutsch zum Besten gab. Nein, sie hat auch mit Wasser im Mund den "Titanic"-Klassiker "My Heart Will Go On" gegurgelt und gezeigt, wie sich eine Profi-Sängerin wie sie vor einer Show am besten aufwärmt. Mit brummenden und schnarrenden Geräuschen nämlich.
Doch zufrieden war Lanz damit nicht. "Kann Céline Dion jodeln?", fragte er. Sie konnte. Und sie tat es, gar nicht mal schlecht sogar. "Das ist ja Wahnsinn", freute sich Lanz, wie immer eine Spur zu überschwänglich und begeistert. Ja, Wahnsinn. Vor allem, dass die ähnlich aufgedrehte Dion das alles so bereitwillig und ohne zu murren mitgemacht hat.
Es war die zweite "Wetten, dass..?"-Sendung nach der Sommerpause. Einen Monat zuvor war Markus Lanz bereits in Bremen mit einem neuen Premium-Konzept angetreten, das weniger RTL-Halbprominenz und mehr Weltberühmtheiten beinhaltete; doch nicht einmal sieben Millionen Zuschauer sahen zu. Es war der bis dato schlechteste Wert des einstigen Samstagabend-Zugpferdes im ZDF.
In Halle an der Saale stand jetzt der zweite Versuch an. Und die Gästeliste konnte sich immerhin sehen lassen: Neben Céline Dion war Musiker Sting eingeladen und - kreisch - US-Skandal-Nudel Miley Cyrus. Die, die vor einiger Zeit in einem Musikvideo nackt auf einer Abrissbirne posiert hatte. Aber das ist ja schon ein alter Hut.
Doch nicht zu alt für Lanz. Viel redete er darüber, dass die Cyrus oft nur wenig Kleidung trägt, blendete noch einmal ein Foto mit der 20-Jährigen auf besagter Abrissbirne ein - und verlor sich urplötzlich in poetisch angehauchter Schmeichelei. Oder anders ausgedrückt: Schleimerei. "Das Video ist ein wunderschön gefilmtes, sehr ästhetisches Video", teilte er Cyrus mit. Ob ihre Eltern das wohl genauso sehen?
Einen weiteren Miley-Cyrus-Skandal gab es im ZDF dann aber nicht. Die Künstlerin sang ihren Song, plauderte gezwungenermaßen über ihre Nacktfotos und Tätowierungen - und verabschiedete sich nach wenigen Minuten wieder. Man kann noch sagen, dass Miley Cyrus' Outfit an eine Erdbeere erinnerte. Und, dass auch sie nicht jodeln musste.
Die anderen Gäste trafen es härter. Schauspieler Armin Rohde jodelte auf Aufforderung Lanz', außerdem wurde der oft eher verdutzt dreinschauende Fußballer Lukas Podolski zum kölschen Karnevals-Lied "Superjeilezick" genötigt. Man sah ihm an, dass er das mit dem Singen eigentlich überhaupt nicht wollte, aber er musste ja, was soll man da machen.
Und selbst Sting sollte nach seinem Bühnenauftritt auch noch ein paar deutsche Zeilen vortragen. Er wählte "Die Moritat von Mackie Messer", also Brechts Lied vom Haifisch, der seine Zähne im Gesicht trägt und so weiter. Lanz: "Ooouuuhh! Die ,Dreigroschenoper'!" Genau. Ende des Kulturteils für heute. Überleitung zur Politik.
Denn im Publikum saß Bernd Wiegand, Bürgermeister von Halle/Saale. Wie es ihm denn gefiele, wollte Lanz wissen. Tja, was soll man da sagen? "Wir tragen dazu bei, dass die Sendung wieder richtig boomt", sagt Wiegand. "Absolut", sagt Lanz. Wiegand: "Ist ne absolute Show heute Abend."
Auch wenn es Wiegand zu gönnen ist: Eine "absolute Show" ist auch dieses "Wetten, dass..?" nicht. Lanz' neunte Sendung ist wie die anderen acht davor, nämlich wieder ein Debakel mit Fremdschämpotenzial, das nichts mit dem Glanz der guten alten Samstagabendunterhaltung zu tun hat, die die Sendung früher einmal war. Und das, obwohl Weltstars allemal besser sind als Cindy aus Marzahn.
Vielleicht liegt es auch gar nicht so sehr an Markus Lanz, der einem schon fast ein bisschen leidtut. Denn er bemüht sich ja wirklich sehr, klug, witzig, schlagfertig zu sein. Doch anders als Gottschalk, der irgendwie durch und durch Showmaster war, spielt Lanz die Rolle nur. Zwar nach Leibeskräften, aber authentischer wird es dadurch nicht. Die Superlative und Lobhudeleien tun da ihr Übriges.
Hinzu kommt das unentschiedene Konzept der ganzen Sendung, denn neben der Premium-Strategie bei den Stars setzte man bei den Wetten auf Altbewährtes: Es gab natürlich die Kinderwette. Und die spektakuläre Baggerwette, bei der mithilfe der großen Baufahrzeuge Socken an eine Wäscheleine geklammert wurden - beides konnte man so oder so ähnlich auch schon in den Neunzigern sehen. Also vorwärts in die Vergangenheit. Oder fröhlich jodelnd in den Abgrund.
Das ganze Problem zeigte sich überdeutlich an Wettkandidat Koebi Schmitter, der schon zum vierten Mal (!) Gast bei "Wetten, dass..?" war. Jedes Mal hat er in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten in kurzer Zeit zähe Dinge wie Wärmflaschen oder Schläuche aufgeblasen. Jetzt sollte er ein 500 Kilo schweres Rennauto mit einem Luftkissen so hoch vom Boden abheben lassen, dass ein Reifenwechsel möglich war.
Auch wenn es eine gewisse Faszination hatte, Schmitter dabei zuzusehen - das alles kennt der Zuschauer schon. Nicht nur gefühlt, sondern in diesem Fall tatsächlich aus drei Sendungen in den Jahren davor. Und so wird Schmitter trotz aller Bemühungen nur Vorletzter. Gewinner war ein junger Mann, der Ergebnisse und Torschützen aus der Bundesliga auswendig aufsagen konnte.
Nicht so gut war das Gedächtnis dagegen bei Lanz. Im Gegenteil, es sorgte sogar für einen verbalen Aussetzer des Moderators: In einem Versprecher bezeichnete er die Menschen in der Halle aus Versehen als "Leipziger Publikum". Allerdings verbindet Leipzig und Halle wie etwa Hamburg und Bremen oder Düsseldorf und Köln traditionell eine herzliche Antipathie. Da gab es dann sogar Buhrufe. Das hat man so bei "Wetten, dass..?" auch noch nicht gesehen.