Über 50 Teilnehmende erfuhren auf dem 4. Lasersymposium Elektromobilität LSE'22, initiiert und moderiert von Dr. Alexander Olowinsky, Fraunhofer-Institut für Lasertechnik ILT, wie mit dem Laser die Trendwende zur Großserienproduktion von E-Fahrzeugen funktioniert. Im zweiten Teil des LSE'22-Berichts beleuchten ein Automobilzulieferer, ein Sondermaschinenbauer, zwei Laserhersteller und das Fraunhofer ILT die elektromobile Laserzukunft. Virtuelle Highlights: Online-Visiten bei Messtechnik-Spezialisten in Pfungstadt und San Francisco.
Moderator Dr. Alexander Olowinsky, Gruppenleiter Mikrofügen am Fraunhofer ILT: "LSE'22 - das war Photonic everywhere. Mehr Anregungen rund um den Lasereinsatz bietet im Mai der "International Laser Technology Congress AKL" mit seinen vielen Live-Demonstrationen."
Langjähriges Laser-Know-how besitzt die Mahle GmbH aus Stuttgart, einer der größten Automobilzulieferer der Welt. Der Laser wird dort regelmäßig für die Großserienproduktion eingesetzt, denn er bewerkstelligt laut Entwicklungsingenieur Johannes Gaigl das Schweißen von Kolben, Benzinfiltern und Wärmetauschern sowie das Reinigen von Fügeflächen und das Härten von Nuten und Kolbenringen.
OCT-Messung vor und nach dem LaserschweißenAktuell beschäftigt sich Mahle z.B. mit dem Laserschweißen von Hairpins an den Statoren. "Aufnahmen von einer Hochgeschwindigkeitskamera halfen uns, das richtige Prozessfenster zu finden", erklärt Gaigl. Vor und nach dem Fügeprozess werden sie mit optischer Kohärenztomographie (optical coherence tomography, kurz OCT) vermessen.
Als besondere Herausforderung bezeichnete der Entwicklungsingenieur die Einspannvorrichtung für den Stator. Hier entwickelte Mahle verschiedene Konzepte, um "in möglichst geringen Taktzeiten gute Schweißergebnisse zu erzielen." In einem anderen Fall ging es darum, ein 500 µm dickes Kupferblech reproduzierbar und prozesssicher auf einen 300 µm dicken Stahlwerkstoff aufzuschweißen.
Der Automobilzulieferer verwendet unter anderem Infrarot-Faser-Laser mit einem Fokus von 45 µm, stieg für diese Kupfer-Stahl-Verbindung jedoch auf ein grünes Lasersystem von Trumpf um. Dabei wurde Neuland beschritten. "Wir mussten viele Punkte strukturiert erarbeiten", sagte der Entwicklungsingenieur. "Große Herausforderungen sind das Sicherstellen der Teilequalität vor dem Schweißen und der Aufbau von Konzepten für die Qualitätssicherung. Hier ist unbedingt zu prüfen, ob man das richtige Sensorsystem zum Detektieren der Fehlstellen einsetzt."
Dr.-Ing. Mauritz Möller, Branchenmanager Automotive bei der TRUMPF Laser- und Systemtechnik GmbH in Ditzingen, zum gasdichten Schweißen von Aluminiumlegierungen: "Durch das Einbringen der Lasertechnologie lässt sich Gewicht einsparen und entsprechende Diskontinuitäten der Gummiabdichtung z.B. durch Verschleiß oder Temperaturschock verhindern."
Leckagefrei: Die unterschiedlichen Möglichkeiten zum gasdichten Laserschweißen erklärt Trumpf mit Hilfe eines Demonstrators.
Bei dem Hairpin-Projekt steht aktuell die Automatisierung der Auswertung der OCT-Scans an. Eine Rolle spielt die Auswahl der richtigen Messwerte. "Wir starten dazu gerade mit Christian Knaak vom Fraunhofer ILT ein Projekt. Darüber berichten wir im nächsten Jahr auf der LSE'23." Es geht dabei um KI-Einsatz, dessen ungeheures Potenzial Knaak auf der LSE'22 anhand von "KI-basierten Analyseverfahren für die Fehlererkennung beim Laserschweißen in der Elektromobilität" vorstellte.
Ein anderes wichtiges Problem sprach Dr.-Ing. Mauritz Möller von der TRUMPF Laser- und Systemtechnik GmbH in Ditzingen an: Leckagen in der Elektromobilität zählen für den Branchenmanager Automotive zu den Fehlern, die nicht auftreten dürfen. Eindringlich wies er daher z.B. auf die Notwendigkeit hin, Aluminiumlegierungen gasdicht mit dem Laser zu schweißen. Wegen der starken Wärmeentwicklung etwa durch Leistungselektronik oder Ladesteuerungssysteme kommt Wasserkühlung zum Einsatz. Das erfordert vollkommen flüssigkeitsdichte Verbindungen, die typischerweise in den meisten Produktionen Gasprüfungen wie etwa den Helium-Summenleckage-Test bestehen müssen.
Leckagefrei dank neuer Lasertechnologie"Bewährt hat sich das Anbringen zusätzlicher Abdeckelemente aus Aluminium mit Gummidichtung, die über Schraubpunkte fixiert werden", erklärte der Branchenmanager Automotive. "Durch das Einbringen der Lasertechnologie lässt sich Gewicht einsparen und entsprechende Diskontinuitäten der Gummiabdichtung z.B. durch Verschleiß oder Temperaturschock verhindern." Für den Lasereinsatz spricht außerdem, dass sich der Montageaufwand verringert. Es handelt sich jedoch um eine Herausforderung an die Fügetechnik: Es gilt ein Gehäuse aus Aluminiumdruckguss mit einem Abdeckelement aus gewalztem Aluminiumblech, also einer Knetlegierung, zu verbinden. Ebenso anspruchsvoll ist der Aufbau von leckagefreien Kühlstrukturen innerhalb von Batteriesystemen. Um die unterschiedlichen Möglichkeiten aufzuzeigen, wie sich diese Aufgaben mit dem Laser bewältigen lassen, entstand in Ditzingen ein Demonstrator.
Beim gasdichten Verschweißen von Aluminiumlegierungen haben sich historisch zwei Technologien in der Praxis bewährt: Strahloszillation und Laserschweißen mit Zusatzdraht. Für Strahloszillation sprechen die hohe Gasdichtheit der Schweißnähte, dagegen die niedrige Schweißgeschwindigkeit von typischerweise fünf bis maximal sechs Metern pro Minute. Als Alternative bietet sich das Schweißen mit Zusatzdraht an, das ebenso zuverlässige und gasdichte Nähte erzeugt. Möller: "Die Schweißgeschwindigkeit und damit die Produktivität sinken sogar im Vergleich zur Strahloszillation noch weiter." Beide Verfahren eignen sich daher nicht für die Großserienfertigung.
Hier kommt die Strahlformung mit Multikernfasern ins Spiel, mit der sich laut Möller schneller und deutlich zuverlässiger fügen lässt. "Wir haben in den meisten Projekten mit einfacher Strahlformung zwischen fünf bis zehn Prozent Ausschuss beim Thema Dichtheit", sagte der Branchenmanager. "Als Gegenmaßnahme kommt unsere neue MultiFokus-Optik infrage, mit der sich die Leistung maßschneidern lässt." Kundenprojekte ergaben, dass sich mit ihr selbst mit einem Vorschub von 15 Metern pro Minute gasdichte Nähte mit einer Zuverlässigkeit von knapp unter 100 Prozent erzeugen lassen. Möller: "Wir haben für unterschiedlichste Kunden eine niedrige vierstellige Zahl an Prototypen gefertigt, bei denen die Verbindungen mit einer Abweichung von maximal einem Prozent gasdicht sind. Aktuell arbeiten wir an genauso zuverlässigen Schweißungen mit bis zu 30 Metern pro Minute."
Mit der neuen -Optik entstand eine Technologie, die den Einzelstrahl über ein Strahlteilungsmodul in vier einzelne gleiche Strahlen aufteilt. "Wir haben bei dem Strahl die Möglichkeit, die Leistung zwischen Kern und Ringfaser zu variieren und sie so maßzuschneidern", erläuterte Möller. "Wir haben auch drei, fünf und sechs unterschiedliche Spots in ihrer Wirkung auf das Werkstück und auf die Stabilisierung des Keyholes untersucht." Der Leistungsbedarf sei aber nicht hoch. Dazu nannte Möller Anwendungen mit Einschweißtiefen zwischen 0,8 und 2,5 mm, die sich mit einem 8 kW-Laser abdecken lassen.
Freies Verfahren im RaumEine interessante Eigenschaft ist der richtungsunabhängige Einsatz des Lasers: Der Anwender kann den Bearbeitungskopf ohne Reorientierung in allen Raumrichtungen verfahren. Außerdem biete sich die Möglichkeit, ein sehr günstiges Set-Up zu realisieren. Möller: "Das bietet auch in der optischen Gestaltung die Chance, ein sehr robustes System aufzusetzen." Die MultiFokus-Optik eignet sich aber nicht nur für starre Optiken: So haben die Ditzinger vor kurzem das patentierte Verfahren auch erfolgreich in einem Scanner implementiert, mit dem sie nun erste Erfahrungen sammeln.
Industrie-Anlage: Auftrag für die Forschungsfabrik BatterietechnologieDas Multibeam-Scannermodul dient im Technikumsmaßstab zum Sammeln von Erfahrungen mit dem neuen Prozess. Auf Basis dieser Erkenntnisse folgt dann die Industrialisierung. Lange: "Den dritten Schritt hin zu einem industriellen Strukturierungsmodul für 1000 mm breite Bänder gehen wir dann im Rahmen des BMBF-Projekts Forschungsfabrik Batterietechnologie an, das schätzungsweise etwa den doppelten Footprint wie unsere Lösung haben wird."
Direkt aus San Francisco meldete sich Dr. Markus Kogel-Hollacher von der Precitec GmbH & Co. KG aus Gaggenau, einem weltweit agierenden, mittelständischen Unternehmen für Lasertechnik und 3D-Messtechnik. Offensichtlich beeinflusst von seinem Besuch der Photonic West und den elektromobilen Aktivitäten in Kalifornien zog der leitende FuE-Manager einen sehr interessanten Vergleich: "Wer sich die Eigenschaften der laserbasierten Fügetechnik der Zukunft ansieht, erkennt viele Gemeinsamkeiten mit den fünf Stufen des autonomen Fahrens." Es beginnt im Level 1 mit dem Messen des Abstands mit dem Ziel des vollautonomen Fahrens, bei dem ein elektronisches System komplett und dauerhaft die Fahrzeugführung übernimmt und es nur noch Passagiere gibt.
Die Zukunft gehört dem Level 5-LaserschweißenGenauso sieht für ihn der Entwicklungsfahrplan für das automatisches Laserschweißen mit dem Prädikat Level 5 aus. Der laserbasierte Schweißprozess der Zukunft erfüllt nicht nur alle Features von Level 4, bei dem das Auto zum Beispiel auf der Autobahn oder im Parkhaus bereits komplett autonom fahren darf. Kogel-Hollacher will ebenso wie die Automobilindustrie einen Schritt weiter gehen. Doch ohne High-Tech-Hardware und Software funktioniert es nicht, meint der Precitec-Manager: "Wir reden vom Einsatz von Künstlicher Intelligenz, Rechenpower, Cloud Computing und Industrie 4.0 bzw. Internet of Things."
Die Weichen hin zum Laserschweißen von morgen hat Precitec schon 2019 gestellt mit dem Inkubator am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). "Wir erfassen auf dem Campus neue Ideen und diskutieren sie dann auch schon mal in der Kaffeeküche, um sie dann in unserer Software einfließen zu lassen", erklärte Kogel-Hollacher: "Einen Schritt weiter sind wir dann, wenn wir aus den Informationen aus dem Prozess exakte physikalische Größen ableiten können. Eine wichtige Rolle spielen dabei die Sensoren, denn sie sind die Augen und Ohren der Fertigung, ohne die sich die Anforderungen von Industrie 4.0 nicht erfüllen lassen."
Neugier ebnet der Elektromobilität den WegDoch nicht nur High-Tech-Einsatz, sondern auch Offenheit für alles Neue gehört seiner Ansicht nach zum Königsweg Richtung Level 5: "Wir versuchen bei Precitec daher neugierig zu sein. Dazu gehört nicht nur der Dialog mit allen Partnern der Laserbearbeitung, sondern auch der Austausch mit Instituten. Nur so können wir die Elektromobilität auf die Straße bringen."
Eine gute Gelegenheit für den neugierigen Dialog bieten nicht nur Inkubatoren, sondern auch Veranstaltungen der Laser-Community wie der " International Laser Technology Congress AKL" vom 4. bis 6. Mai 2022 in Aachen.
https://www.lasercongress.org/
LSE'22 im Detail: 17 Perspektiven auf laserbasierte ElektromobilitätDr. Christian Hagenlocher, Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Institut für Strahlwerkzeuge (IFSW): Stabilization of the Capillary in Laser Welding of E-Mobility Applications - Challenges and Strategies Sören Hollatz, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fraunhofer ILT, Aachen: Reliability in the focus - Laser Welding inside and outside the battery cell Prof. Uwe Sauer, Lehrstuhl für Elektrochemische Energiewandlungs- und Speichersysteme an der RWTH Aachen University: Lithium-Ion Battery Systems - Fundamentals and Perspectives Christian Knaak, Abteilung Prozesssensorik und Systemtechnik, Fraunhofer ILT, Aachen: AI-based analysis techniques for laser welding defect detection in e-mobility applications Richard Steinbrecht, Geschäftsführer der Lessmüller Lasertechnik GmbH, München: Sensor applications for laser welding in battery production Julia Braun, Teamleiterin Produktionsentwicklung, und Bastian Wittwer, R&D Senior Engineer, ABB Switzerland Ltd, Baden (Schweiz): Laser Welding for Traction Batteries: Our Journey Dr. Mauritz Möller, Branchenmanager Automotive TRUMPF Laser- und Systemtechnik GmbH, Ditzingen: Innovative laser technology for gastight welding of aluminum alloys in eMobility Johannes Gaigl, Entwicklungsingenieur bei der Mahle GmbH, Stuttgart: Laser process applications in an agile automotive development environment Dr. Andreas Russ, Gruppenleiter Produktbereich Sondermaschinen Lasertechnik bei der Robert Bosch Manufacturing Solutions GmbH, Stuttgart: Laser technology in e-mobility - challenges of a special machine manufacturer Dr. Monika Rentemeister, Geschäftsführerin Air Energy Entwicklungs GmbH & Co. KG, Aachen: Laser-welded battery systems in future applications Dr. Daniela Werlich, CTO der Customcells Itzehoe GmbH, Itzehoe: Laser technology from the perspective of a battery cell producer Dr. Markus Kogel-Hollacher, leitender FuE-Manager bei Precitec GmbH & Co. KG, Gaggenau: Enabling E-mobility with Lasers - Mass Production Requirements and Solutions Nicolas Meunier, Business Development Manager High Power & Automotive Products bei Ophir Spiricon Europe GmbH, Darmstadt: No contact but full control - How to improve laser welding processes Thibault Bautze-Scherff, Vertriebsleiter der Blackbird Robotersysteme GmbH, Garching: Image processing and data management for the high-volume e-mobility laser applications Dr. Peter Kallage, Leiter des Applikationslabors bei Coherent GmbH, Hamburg (D): Utilizing flexible laser beam profiles for welding applications of batteries components Dr. Karsten Lange, Projektmanager für Batterie- und Wasserstofftechnologie am Fraunhofer ILT, Aachen Boosting the performance of current and future Li-ion battery technologies by USP processing Christof Blumenstein, Team Leader, Sales National bei der PRIMES GmbH, Pfungstadt: From equipment to benefit - everything centers around the software Rétablir l'original