Es sind schlechte Zeiten für Sparer. Wer sein Geld auf Tages- oder Festgeldkonten anlegt - bei einer Inflationsrate zwischen null und einem Prozent -, macht in der Regel Minus. Denn die Banken bieten für Sparbücher, Tagesgeld und Festgeld einen Zinssatz von deutlich unter 0,5 Prozent. Das Geld liegt sicher, ist nach einem Jahr aber weniger wert.
Alternativ denken risikofreudige Anleger an Immobilien und Rohstoffe sowie Aktien und Investmentfonds, wo bei höherem Risiko höhere Renditen zu erwarten sind. Woran kaum jemand denkt: an Genossenschaftsanteile. Dabei sind Genossenschaften mit etwa 20 Millionen Mitgliedern die wichtigste wirtschaftliche Organisationsform in Deutschland. Über 5 000 Genossenschaften sind vor allem in den Bereichen Kreditwesen, Wohnungsbau, Landwirtschaft, Handel und Energie aktiv.
Genossenschaften sind Gesellschaften zur wirtschaftlichen Förderung der eigenen Mitglieder. Um 1850 entstanden die ersten Genossenschaften, um Bauern und Handwerker gemeinschaftlich gegen Notlagen abzusichern und ihre Marktposition zu stärken.
Gleichberechtigung ist oberstes Gebot, da alle Mitglieder unabhängig von der Höhe ihrer Kapitalbeteiligung gleiches Stimmrecht bei der Selbstverwaltung besitzen. Mitglieder- oder Vertreterversammlungen entscheiden über den Kurs des Unternehmens. Genossen sind meist zugleich Eigentümer und Kunden ihres Unternehmens.
In Deutschland gibt es mehr als 5 600 genossenschaftliche Unternehmen mit 19,4 Millionen Mitgliedern. Das steht im Jahresbericht der Deutschen Genossenschafts- und Raiffeisenverband e.V., dem Spitzenverband deutscher Genossenschaften.
Den größten Umsatz machen Kreditgenossenschaften, vor allem der Volksbanken-Verbund. Die meisten Unternehmen gibt es im Dienstleistungs- und Warenbereich, bekannt sind vor allem Edeka und die LPG. Wohnungsbaugenossenschaften bewirtschaften außerdem etwa zehn Prozent der Mietwohnungen in Deutschland.
Die Mitglieder von Genossenschaften sind sowohl Eigentümer als auch Kunden ihrer Genossenschaft. Unabhängig von der Kapitalbeteiligung haben sie gleichwertige Mitwirkungs- und Entscheidungsrechte. In den letzten Jahren kamen Genossenschaften erstaunlich gut durch die Finanzkrise. Das gemeinschaftliche Unternehmensmodell ist auf dem Vormarsch, belegen zahlreiche Neugründungen. Doch sind Genossenschaften die richtige Adresse, um Geld anzulegen?
Wer Genossenschaftsanteile hält, profitiert von Gewinnausschüttungen. Sparer können Anteile an einer Genossenschaft erwerben und werden dadurch gleichzeitig Mitglied. Während Aktien jederzeit gekauft und verkauft sowie meist in beliebiger Höhe erworben werden können, gibt es bei vielen Genossenschaften Mindest- und Maximaleinlagen. Einige Wohnungsgenossenschaften erheben zudem Eintrittsgebühren. Kündigungsfristen verhindern, dass mit Genossenschaftsanteilen spekuliert wird. Unternehmen sind an langfristigen Engagements interessiert.
Vier Prozent DividendeFür Langfristigkeit steht die Berliner Baugenossenschaft (bbg), die im Jahr 1886 als erste Berliner Wohnungsbaugenossenschaft gegründet wurde. Zum Eintritt in die Genossenschaft mit 6 800 eigenen Wohnungen müssen zwei Pflichtanteile von je 200 Euro erworben sowie ein Eintrittsgeld von 50 Euro entrichtet werden. Für den Bezug einer Mietwohnung sind je nach Wohnungsgröße weitere Anteile im Wert von 200 Euro zu kaufen. Doch auch ohne den Bezug einer Wohnung kann man weitere Anteile erwerben. Das hat sich gelohnt: 2013 und 2014 wurde von der bbg eine Dividende von vier Prozent ausgezahlt.
Eine Gewinnausschüttung ist aber nie garantiert. Das Geld kann auch schnell verloren sein: Die Einlage wird zum Eigenkapital der Genossenschaft und ist bei einer Insolvenz verloren. Thomas Pfister von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen warnt: „Es gibt keinen Einlagenschutz, bei Beteiligungen an Genossenschaften droht im Falle einer Insolvenz ein Totalverlust. Altersvorsorge sollte man damit also keinesfalls betreiben." Prüfen sollte man auch, ob es bei der Genossenschaft eine Nachschusspflicht gibt. Anteilseigner würden in diesem Fall für das Unternehmen haften und müssten bei einer Pleite zusätzlich draufzahlen. Die bbg sieht in ihrer Satzung eine begrenzte Nachschusspflicht vor, die Haftsumme beträgt maximal 400 Euro pro Mitglied. Auf Beschluss der Vertreterversammlung können die Mitglieder verpflichtet werden, weitere Einzahlungen zu leisten, wenn die Genossenschaft aufgelöst werden muss und der Fehlbetrag noch nicht gedeckt werden konnte. „Auf mögliche Regelungen zu Nachschusspflichten sollte man sehr genau achten", sagt Verbraucherschützer Pfister. „Insgesamt können Genossenschaftsanteile ein geeignetes Element sein, um die eigenen Geldanlagen sinnvoll zu streuen." Das Ausfallrisiko sei gering, eine Rendite in vielen Fällen sicher, die Geldanlage für langfristige Sparer also durchaus lohnenswert.
Der entscheidende Pluspunkt für viele Anleger könnte schließlich die Art der Einlage sein. Es gibt wenig andere Möglichkeiten, sein Geld so gezielt anzulegen, wie bei Genossenschaften. So zum Beispiel bei Fairmondo, das sich selbst als „Genossenschaft 2.0" bezeichnet. Das Unternehmen fungiert ähnlich wie Ebay als Marktplatz für private und gewerbliche Anbieter. Gefördert werden dabei besonders Produkte, die fair und nachhaltig produziert und gehandelt werden. Bei jeder Bestellung geht ein Prozent des Kaufpreises in die Korruptionsbekämpfung. Alle Konten sind einsehbar, die Software wird als Open Source Projekt entwickelt und in der Satzung ist verankert, dass Vorstandsmitglieder höchstens dreimal so viel verdienen dürfen wie Mitarbeiter mit dem niedrigsten Gehalt. Über 2 000 Genossen unterstützen diese Ideen mit einer Einlage zwischen zehn und 25 000 Euro. Das bringt ein Startkapital von mehr als 500 000 Euro und gleichzeitig Unabhängigkeit von Großinvestoren.
Der Nachteil ist, dass Fairmondo bislang keine Gewinne erzielt. Während Start-ups im E-Commerce wie Zalando mit riesigen Summen an den Start gebracht wurden, muss Fairmondo mühsam um sein Bestehen kämpfen. Derzeit arbeiten nur vier Hauptamtliche im Firmensitz in Berlin, es waren schon einmal mehr. Hoffnung gab der Dezember, sagt Pressesprecher Christian Peters, denn im weihnachtsstarken Buchgeschäft kann Fairmondo bereits mit den großen Online-Händlern mithalten. Außerdem wächst die Community, viele Ideen sprießen, eine Insolvenz droht derzeit nicht. Mit einer Gewinnausschüttung ist jedoch noch nicht zu rechnen. „Für einen schnellen finanziellen Vorteil sind Fairmondo-Anteile nicht die beste Lösung", gibt Peters zu. Wer eine andere, faire Wirtschaft vorantreiben will, sei aber genau richtig. Wer sich gewissenhaft informiert, kann mit Genossenschaftsanteilen aber nicht nur für sich selbst, sondern auch für viele andere einen Mehrwert erzielen.