Aus der großen Zahl an Bands aus dem Hardcore, die sich mit Metal und Postrock Substanz anfressen, die Songs auf zehn Minuten zwischen melancholischem Zusammen- und hoffnungsfrohem Ausbruch strecken, stechen Oathbreaker seit ihrem letzten Album „Eros|Anteros" von 2013 heraus. Pars pro toto kann die Melodie gelten, die Gitarrist Lennart Bossu damals dem Song „Condor Tongue" über den Refrain spannte. Nur diese zweieinhalb Minuten anhören. Das Leben ist schön.
Oathbreaker aus dem belgischen Ghent sind nun, auf dem dritten Album „Rheia", noch immer eine im klassischen Sinne harte Band mit verzerrten Gitarren und rasendem Schlagzeug. In etwa der Hälfte der Zeit schreit Sängerin Caro Tanghe. Und doch ist da zwischen all den Markern für Wut viel Euphorie. In einem der besten Songs des vergangenen Jahres, „Second Son of R.", wirft Tanghes Schreien scharfkantige Schatten, aber da ist eben auch diese wunderschön anhebende Gitarre.
„Rheia" geht es in der Gegenüberstellung von Aggression und Schönheit weniger um die harmonische Auflösung oder Relativierung. Eher um den fairen Umgang mit den Extremen. Mit dem Album „Rheia" sind Oathbreaker eine der sehr wenigen Bands, die in der Geschwindigkeit und dem Laut-Sein Intimität erzeugen können.
Der schleppende Doom Metal tritt auf diesem Album in den Hintergrund. Dafür gibt es mehr Tremolo-Gitarren und ein paar Blast Beats aus dem Black Metal und mehr Klargesang. Sterbende Brüder treten auf, Nadeln im Körper, herausgegessene Herzen und welche aus Stein. Das ist theatralisch und manchmal auch lyrisch sehr direkt. „How could you go without me?" heißt es in „Needles in Your Skin", wieder ist so viel passiert, bis nach dreieinhalb Minuten dieses wunderbar dunkle Riff kommt, das sich wie aus Notwehr aufplustert.
Die Kraft, die „Rheia" hat, ist auch Schlagzeuger Ivo Debrabandere zu verdanken, der mal antreibt, mal ausholt. Aber immer vermeidet er die Phrasen. Mit dem Rapper Nas: Schlaf ist der Cousin des Todes. Wo nunmehr kein Text über Oathbreaker ohne den Hinweis auf die im Mainstream angekommenen Deafheaven auskommt, die die Mischung aus Black Metal und Shoegaze-Empfindsamkeit groß gemacht haben: Oathbreaker sind deutlich weniger Pop - ohne dass dies eine Wertung wäre. Feedback-Krach spielt keine große Rolle, „Rheia" ist nicht verschwommen, rauschend, es lebt von seiner großen Klarheit. Auch deswegen ist das Album eine solche Leistung, hier wird nichts nur hingetupft, so dass sich die Tiefe und Intensität im Kopf der Hörerin ergeben muss.
Oathbreaker lassen dadurch tief schauen, dass jeder Gitarrenakkord und jeder Drumbeat und jedes Atmen zu hören ist. Caro Tanghe sagte unlängst in einem Interview, sie habe die Plätze ihrer Kindheit und die Personenaufstellungen darin erinnert. Das ist erstaunlich, denn sieht man die Band live, so verschwinden Gesicht und Körper, die Person, hinter langem Haar und dunklem Überwurf. Das Album lässt nahe heran. Sehr, nahe.
erschienen in der Frankfurter Rundschau, 2.1.2017.