Sänger Anthony Kiedis trägt schwarzes T-Shirt und Baseball-Kappe, über der bunten Leggins eine kurze Hose. Nach einer Weile, selbstverständlich, zieht er sein Shirt aus und zeigt seinen durchtrainierten Körper - auch mit 54. Bei den Red Hot Chili Peppers werden die Klischees zumindest ausbalanciert: Die übertrieben souveräne Männlichkeit des kantigen Funkrocks hat immer wieder einen melancholischen Subtext.
Man kennt das natürlich fast alles, was hier aufgeführt wird, und doch, diese Band, die es ja nun auch schon über dreißig Jahre gibt, mag offensichtlich, was sie geschaffen hat - und wohl deswegen können sie es mit dieser Dringlichkeit aufführen.
Die Red Hot Chili Peppers ziehen augenscheinlich ein Publikum an, das eher selten auf Konzerte geht. Väter mit den Teenagertöchtern, die ersten Songs werden gefilmt und fotografiert, nach einer ersten Euphorie werden doch wieder Mails gecheckt, je nach Größe des Hits ein kurzes Aufhorchen, wieder Videos und Selfies mit der Bühne im Hintergrund. Ältere Herren in Sakkos machen Teufelshörner und erklären ihren Frauen, was das mit den Chili Peppers auf sich hat.
Die Red Hot Chili Peppers verkaufen auch Songs des Albums „Californication" von 1999, als wären sie brandneu. Das ist keine unerhebliche Kompetenz, sie lassen den Glauben intakt, das wäre ein besonderer Abend, als würden sie dies nicht zum tausendsten Mal aufführen. Der sicherlich nicht begnadete Sänger Kiedis zieht die Blicke auf sich, die eigentliche Sensation ist jedoch, natürlich, der wohl bekannteste Bassist der Welt, Flea. Der spielt nicht nur brillant, sondern ist auch hyperaktiver Mittelpunkt des Geschehens. Druckvoll und doch mit viel Wärme, er ist sehr deutlich in den Vordergrund gemischt.
Ein Ärgernis ist allein der Klang in der Festhalle, die so opulent ausschaut und doch Konzert für Konzert daran scheitert, einen passablen Sound hinzukriegen. So wirkt auch eine der druckvollsten Bands der Welt irgendwie zahm. Der Klang kennt keine Mitten, die Gitarre Josh Klinghoffers ist zumindest auf den Rängen links von der Bühne kaum zu hören. Das neue Album „The Getaway" steht im Mittelpunkt des Konzerts, ein gutes Album, aber eben noch nicht derart zum Klassiker kristallisiert wie die großen Hits, die das etwas träge wirkende Publikum besonders honoriert.
Die Band spielt in etwa neunzig Minuten, nicht lang genug, um alle Hits unterzubringen. Haben sie wirklich „Under the bridge" ausgelassen? Sie gehen, natürlich, mit „Give it away". Vor der Halle kostet die Dose Bier dreifünfzig. Die Leute kaufen es dennoch, als wäre nichts dabei.
erschienen in der Frankfurter Rundschau, 20.11.2017.