Ein Mann, Mitte dreißig, hochgezogene Socken, knallige Sneaker, Unterhemd, Tattoos auf den Muckis, macht schon Big Seans Auftritt zur großen Party. Zwischendrin ein Wurstbrötchen, er ist so weggeklatscht von dem, was er da hört, dass er die Treppen eher hochfällt.
Eine Frau, Mitte zwanzig, hautenges Kleid, ultraselbstsicherer Ausschnitt. Sie tanzt mit ihm, ausladende Bewegungen, top-notch, die beiden. Unsicherheit ist etwas für innen drin. Nach außen: volle Körperkontrolle.
Zwei junge Frauen, geschminkter Mund, Cocktails, drei Männer, trainierter Arm, Cocktails. Sie begrüßen sich, im Gesicht der jungen Frau ist große Freude, ein junger Typ umarmt sie so abgeklärt, als übe er das vor dem Spiegel.
Drei Männer, zwei alt, einer jung. Sie sitzen mit teuren Haarschnitten und blauen Businesshemden im VIP-Bereich. Einer raucht genussvoll eine Zigarre, alle drei filmen die Show mit ihren Smartphones. Nicht einzelne Songs.
Und schließlich Dietmar Dath, es ist warm, er trägt Jeansjacke über seinem Karohemd. Er hat einen Notizblock dabei, er schreibt ausdauernd mit. Keine Bewegung, kein Kopfnicken, keine Andeutung davon, dass dies hier irgendwie mitschwinge. Auf einer Show der Körper scheint einer reiner Geist zu sein.
Das hier, Rihanna in Frankfurts Fußball-Arena Nr. 1, ist die Show der verpassten Andeutungen. Alles liegt da, ganz offen. Keine Geheimnisse. Nur Körper, Anziehungen und Abstoßungen und schlussendlich, wie schön, Schäume.
Nur um die Zweifel auszuräumen, Rihanna selbst ist in diesen knapp 80 Minuten einnehmend, konsequent, sie wird noch größer auf der gigantischen Bühne. Wer fragen sollte: Für einhundert Euro darf Mensch das erwarten, und dennoch ist Rihanna so charismatisch, extravagant und auf unterhaltsame Weise beiläufig, wie man es von der mindestens zweitgrößten weiblichen Popmusikerin der letzten Jahre erwarten durfte.
Jede Bewegung ist voll durchgezogen, es ist wie damals bei den Power Rangers, weil diese Masken tragen, muss der Sprechende ausladende Bewegungen machen, um gesehen zu werden.
Sie sagt, diese Show sei einer der besten „ever", sie könnte lügen, aber es spielt keine Rolle, weil es offensichtlich glaubwürdig ist. Sie kommt auf die Bühne, um anfangs zu zeigen, dass sie natürlich gut singen kann. Im Dreiviertel-Playback spielt das nur keine dramatisch große Rolle.
Das Bühnenbild ist kühl, der Sound ist fast das gesamte Konzert über grausam. Es dauert bis zum Durchbruchshit „Umbrella", bis mir der Bass wunderbar ins Gesicht schlägt. Vor allem in den Dance-Tracks klingt es wie MP3s vor zehn Jahren, Metall auf Metall. Vor allem ihr neues Album „Anti" klingt hier besser, weil es reduzierter performt wird. Ein Höhepunkt ist das Tame-Impala-Cover „Same ol' mistakes".
Zu „Kiss it better" geht sie von der Bühne, ihr könnte ich noch einige Male zusehen und -hören. Ich stehe 50 Meter entfernt, aber sie scheint mich zu meinen, es ist wie Small Talk nur mit Körper und Gesang.
erschienen in der Frankfurter Rundschau, 18.7.2016.