Zurück in den Alltag. Text schreiben. Das Konzert steckt noch in den Knochen. The Bronx aus Los Angeles sind auf Tour, diesmal waren sie im unterschätzten Frankfurter Club „Das Bett" und haben als Vorband bereits ein Highlight verpflichtet: Frank Carter sang früher mal bei der wohl wichtigsten Hardcoreband des vergangenen Jahrzehnts, Gallows. Er stieg nach dem Meisterwerk „Grey Britain" aus, einem Album, das 2008 den Niedergang Großbritanniens imaginierte.
Carter rotzt noch immer auf die Tories, auf David Cameron und natürlich den Brexit, aber seine neue Band Frank Carter And The Rattlesnakes tut das fast schon zahm - im Vergleich. Carter trägt einen hinreißenden Anzug mit Blumenmuster, versteckt das ganze Konzert seinen quasi von oben bis unten tätowierten Körper. Die Punkrock-Selbstverschwendung ist ihm ins Gesicht geschrieben, so schaut es aus.
Er fragt zwischendrin, wie man es nun mit den Böhsen Onkelz halte, die vorhersehbare Reaktion des Publikums: das sind natürlich immer noch alles Nazis. Trotz Konzerten gegen rechts seit 25 Jahren, unzähligen Statements gegen rechts und so fort. Es ist manchmal schwierig mit der Debatte im Punkrock, Identifikation und geschlossene Reihen gehen über alles.
Die nette Idee vieler Hardcore-Acts, die Grenze zwischen Publikum und Band aufzuheben, indem die Band direkt im Publikum spielt, beherzigt The-Bronx-Sänger Matt Caughthran fast das gesamte Konzert. Geht das stark an den schnellen, noch stärker im Punk verwurzelten Hardcore der 70er und 80er angelehnte Material der Band auf Platte nicht immer voll auf, so zeigt sich live, warum The Bronx aus den vielen hervorstechen.
Sie kommen tatsächlich nahe, da sind Druck und Wut, aber keine ausgefahrenen Ellenbogen, die Brutalismus-Sackgasse, in der der Hardcore schon x-mal angekommen ist, vermeiden sie mit einem Lächeln. Der Sozialdarwinismus der Straße, den der Old-School-Hardcore vor allem aus Boston und New York beschwört, ist weit weg.
Zum Guilty Pleasure macht, neben dem Kater am nächsten Morgen, das altbekannte Problem, welches die harte Gitarrenmusik seit ihrer Erfindung belastet: Das hier ist ein Männerding. Müsste man sich schlecht fühlen als Kerl da vor der Bühne, weil tatsächlich nur Männer da rumspringen, verschwitzt, teilweise ohne Shirt? Hardcore ist eine leidlich männliche Veranstaltung. Bei jedem einzelnen Konzert.
erschienen in der Frankfurter Rundschau, 14.7.2016.