Die Deftones aus Sacramento sind eine allgemein überschätzte Band in einem allgemein unterschätzten Genre. Der New Metal, den sie zusammen mit Bands wie Korn und Linkin Park maßgeblich geprägt haben, hatte damals, Ende der neunziger Jahre, den durchaus reizvollen Ansatzpunkt, vordergründig widersprüchliche Ideen zu verbinden: Von der New Wave The Cures und Depeche Modes übernahm er die Lust am Suizidalen, vom Alternative Rock die Wut, die sich selbst nie ausnimmt, vom HipHop schließlich den Groove, die Pose, die Klamotten.
Gegen den überzeichneten und weltflüchtigen - und sehr weißen - Heavy und Thrash Metal setzte er auf die „Realness" der gesellschaftlichen Exklusion: Musik für diejenigen, die als zu schwul, zu schwarz, zu fake beschimpft werden. Er war nach dem Grunge die nächste Musik für Außenseiter als Massenphänomen. Dass das bis heute nur als jammerlappige Adoleszenz gelesen wird, ist ein von vielen schlechten Texten und Limp Bizkit befeuerter Verdacht, der ein Problem sieht, wo keines ist. Die Suche nach Identität und Sinn sollte keiner auf ein paar Jahre verkürzen wollen.
Die Deftones sind in der gängigen Erzählung diejenigen, die Großes schufen trotz ihrer Herkunft. Ihr Album „White Pony" von 2000 wird bis heute als Meilenstein der harten Gitarrenmusik gehandelt. Dem Autor dieser Zeilen hat sich das nie so recht erschlossen. Wo andere große Emotionen in der Stimme Chino Morenos und seiner sehr eigenen Melodieführung erkennen, hört er meist nur großes Theater. Die Samples, Keyboards und alles, was die Deftones „für die Atmosphäre" auffahren, würgt ab, was sie davor mit recht wenigen Mitteln gekonnt anwerfen.
Und überhaupt: Es ist unmöglich, Musik ohne Atmosphäre zu schreiben. Das sehr rohe „Adrenaline", das Debüt, war da weiter, weil unbe- und unverarbeiteter. Die Dinge durften ausfransen, alles war ja zusammengehalten von der Wut. Ein Album, das auch lebte von seiner Ignoranz.
Es wurde während der Veröffentlichung des neuen Albums „Gore" darüber berichtet, dass der Gitarrist und Mitgründer Stephen Carpenter kaum Interesse gehabt habe an der Musik. Das merkt man. Carpenters Riffs hoben die Deftones immer ab, weil sein kalter, an Fear Factory und Meshuggah angelegter Sound, ein willkommenes Gegengewicht zur Studentendisko-Sentimentalität war, für die die Deftones auch stehen. Carpenters hartes Riffing ist nun ebenso nebensächlich wie das meist exzellente Drumming in den Hintergrund gemischt ist. Einzig die an Iron Maiden angelehnte Gitarre in „Doomed User" bleibt länger im Kopf.
„Gore" macht das, was die Deftones schon ewig machen. Will man das, kann man sortieren: Das ist besser als Album Nummer..., etwas schlechter als Album Nummer... . Kurzum, ein Album für die Discographie, irgendwo einzusortieren. Musik für Nick-Hornby-Kollektivisten.
erschienen in der Frankfurter Rundschau, 11.5.2016.