Die US-amerikanische Rapperin Angel Haze hat eines im Überfluss: Charisma. Das ist im gut besuchten Zoom auch trotz höchstens durchschnittlicher Tagesform zu sehen. Angel Haze heißt mit bürgerlichem Namen Raykeea Roes Wilson, sie ist 23 Jahre alt und seit einigen auf dem Sprung zum Star. Ihre zierliche Gestalt steckt nicht umsonst auf den Pressefotos gerne in Tarnklamotten und Springerstiefeln.
Ihr bis dato größter Hit, „Battle Cry", den sie als Zugabe spielt und der den Rest überstrahlt, trägt die Schlacht nicht nur im Titel. Zum treibendem Schlagzeug rappt Angel Haze im ihr eigenen Stakkato, das in seiner Dringlichkeit und Souveränität durchaus an das Vorbild Eminem erinnert.
Während Eminem als Weißer über den mehrheitlich schwarzen HipHop hinaus zu einem der größten Popstars des Planeten wurde, behauptet sich Angel Haze im testosteronschwangeren Rapgame als Frau durch das Spiel mit den Extremen: Sie ist beeindruckend tough, jede Sehne ihres Körpers wirkt gespannt auf der Bühne, da ist unverhohlene Wut.
Worüber sie aber berichtet in ihren hochgradig autobiografischen Songs, über ihr Eingesperrtsein in einer fundamentalistischen Christengemeinde und über schlimmsten sexuellen Missbrauch seit früher Kindheit, das rückt ihren Zorn in eine weitere Perspektive. Bei Angel Haze besteht die Selbstermächtigung im scheinbar ungefilterten Erzählen des eigenen Lebens. Sie greift darin über die klassischen Sujets, das Muskulöse und den Hedonismus des Fitnessstudio-Raps, recht locker hinaus.
Das Publikum im Zoom, in einem Club, der offensichtlich auf der Suche nach Identität ist in seiner wahllosen Zusammenstellung von Rap, Pop und Indierock, besteht im Gegensatz zu den meisten Hip-Hop-Shows fast zur Hälfte aus Frauen, die Stimmung ist gut, aber nicht ausgelassen.
Die Singles stechen deutlich hervor, dass auch das Problem der Performance klar wird: Angel Haze fehlt es noch an genug starken Songs für ein mitreißendes Konzert von Beginn bis zum Ende. Vor allem die Balladen fallen gegen den Druck und die Kraft der aggressiveren Songs wie „Impossible", dem ersten Höhepunkt, ab.
Das hier wirkt in Gänze etwas wie Dienst nach Vorschrift. Einmal marschiert Angel Haze durchs Publikum und rappt so in maximaler Publikumsnähe, zwischenzeitlich tanzen zwei Frauen mit ihr auf der Bühne. Für die Teenager im Publikum ist das womöglich riesig, intensiver wird es dadurch nicht.
erschienen in der Frankfurter Rundschau, 1.2.2016.