Eine Pointe des Sounds von The xx ist, dass sie in nahezu jedem Song zwei Stimmen in den Dialog bringen. Oliver Sims Stimme ist noch immer, auch live, wie die gemütliche Badewanne, in die sich Mensch nach einem Tag draußen in der Kälte legen möchte. Romy Madley Croft klingt weiter entfernt, und doch scheint klar, wie sich The xx immer aufeinander beziehen. Selbst wenn sie vom Getrenntsein singen.
Es mag überraschen, dass The xx dazu in der Lage sind, die Jahrhunderthalle auszuverkaufen. Das wiederum hängt wohl damit zusammen, dass in ihrer Musik verschiedene Logiken zusammenkommen: Auf dem Debüt noch klangen sie ein wenig wie eine Postpunk-Band mit Hang zum R & B, auf dem neuen Album, das auch in Deutschland Nummer Eins geworden ist, nehmen die Einflüsse aus Dance Music zu, die Rolle des Produzenten und dritten Bandmitglieds Jamie XX ist offensichtlicher geworden.
Das Publikum an dem Abend ist im Durchschnitt zwischen 25 und 30, es trägt Schwarz, Turnschuhe, Bomberjacke. Mindestens eine sogar in Pink. Sehr gut schaut es darin aus, das Publikum. Wenn The xx auch tatsächlich so zeitgeistig und hip klingen, könnte das damit zusammenhängen, dass sie keine reinen Lehren predigen, sondern die verschiedenen Einflüsse, die mittlerweile erfreulicherweise so leicht zu haben sind, ohne Scheu verbinden. Und doch bleibt die Ästhetik unangetastet: ein introvertierter, romantischer Geist, eher im Schatten.
Ganz wunderbar bei diesem Konzert ist, dass sie die immense Klarheit auch live, auch vor fast fünftausend, bewahren können. Da ist etwas Hall, aber jeder Anschlag auf dem Bass ist klar zu hören, jedes Wort ist zu verstehen. Ihre Songs mögen sich oft um die eigene Zerbrechlichkeit und die Erwartungserwartungen drehen, aber jede Sorge ist musikalisch klar artikuliert - nicht verhuscht. Wie Postpunk ohne Feedback, dem jüngeren Superstar-Pop nahe in seinem transparenten Sound. Hier, selbst in einem so großen Rahmen, wirken The xx gar tiefer und ernsthafter als auf den Alben - die Faszination, die das erste Album damals hatte, scheint wieder auf.
So entkräften sie hier, live, auch den einen Vorwurf, der sich nach dem Hören insbesondere des neuen Albums ergibt: Sie seien dann doch minimal unerheblich, beiläufig, brav. Je weiter das Konzert voranschreitet, desto mehr zeigt sich eine wohlüberlegte Dramaturgie, das alles ergibt auch in der Steigerung Sinn. The xx zeichnen die eigene Evolution nach: Vom entschlackten Indiesound zum Raveact, sozusagen. Es wird größer, lauter, schriller. Auch minimal fröhlicher. Und doch ist das warm und introvertiert, selbst wenn der Sound angedickt wird, wenn die Beats und die verdächtig an manchen 90er Trash erinnernden Keyboards gar mal ausrasten.
Und schlussendlich deuten sie den naheliegenden Scherz, das Konzert mit dem hundertfach in TV-Beiträge, Serien, Filme und andere Songs hereingenommene „Intro" zu beenden, zwar an - aber sie ziehen ihn eben klugerweise nicht durch. Bitte nicht den einfachsten Weg gehen.
erschienen in der Frankfurter Rundschau, 28.2.2017.