Mark Kozelek trägt noch immer die Jacken, die wohl mal für Arbeiter gedacht waren, aber nunmehr vor allem in Skaterläden verkauft werden. Er war mal sehr schlank, die Haare lang, er gab damals noch Interviews vor Kameras, von Angesicht zu Angesicht. Aber er sprach schon darüber, wie das sei, wie unwohl man sich fühle, so über sich sprechen zu müssen. Damals waren seine Texte noch dazu bereit, sich vom eigenen Pathos überwältigen zu lassen. Sie waren voller Bilder, sie waren voller blumiger Adjektive, ja sie waren in einem eher traditionellen Sinne literarisch. Vielleicht würde der manchmal etwas bittere Kozelek hier selbst sagen: vor Facebook und Twitter.
Auf diesem neuen Album „Common As Light And Love Are Red Valleys Of Blood" eröffnet Kozelek einen Song mit den Worten „I know this song sounds like a seventies tv show theme". Und es stimmt durchaus. Vor allem das gruselige Gitarrensolo zwischendrin. Die formalen Mittel werden selbst zum Inhalt des Songs. Die Songs sprechen über sich selbst. Die Songs reproduzieren sich aus den eigenen vorherigen.
Sun Kil Moon bestehen auf diesem Album aus Kozelek und Schlagzeuger Steve Shelley. Und dieses Album ist eine weitere Radikalisierung des Ansatzes der letzten Jahre. Irgendwann ging Kozelek zu einem literarischen Stil über, der sein Leben zu verdoppeln schien. Er berichtete, in welcher Stadt er gerade war und was er zu Mittag aß, dass er eine Show spielte, dass die Airline seine Gitarre schrottete, dass er die Uniformen der Stewardessen bei Korean Air liebte, dass sein Manager anrief und ihm die anstehenden Daten durchgab. Aber man täte Kozelek unrecht, wenn man nicht sähe, wie er dabei auch Marker einstreut für bestimmte kollektive Zustände. Auch nun gibt es das, wenn Trump ins Bild lugt, wenn Kozelek über die Attentate spricht, in Oslo und Nizza, in Orlando.
Dass Sun Kil Moon nun anders klingen, ja mit dem Folk nur noch wenig zu tun haben und mit dem Hip-Hop umso mehr, liegt an den groovigen Drums von Shelley und den noch deutlicher gesprochenen, noch weniger gesungenen Lyrics. Die künstlerische Konsequenz, die Selbstumkreisungen tatsächlich irgendwann eben in der Wiederholung ankommen zu lassen, ist beachtlich. Und dass Kozelek dies aus einem chronisch schlichten Genre wie dem Folk macht, ist umso beachtlicher.
Aber so wie seine Lyrik genau dann das Leben eben nicht nur verdoppelt, sondern überbietet, wenn er hart schneidet zwischen Alltagsroutine und der schönsten Nacht eines Menschenlebens, so lebte das auch von einer musikalischen Parallelisierung: also der einen Akkordfolge oder dem Refrain, der einen nach dem minutenlangen Einlullen vor Euphorie strahlen lässt.
Der Refrain von „Tonight The Sky" zum Beispiel, 2008. Dass „Common as light..." fast alles dem zurückgelehnten Groove unterordnet, verhindert eine solche Intensität. Die kurzen Momente fehlen, die vielleicht Epiphanie heißen könnten. Die einem aus dem Flüchtigen in größter Klarheit zuzurufen scheinen, sie verstünden.
erschienen in der Frankfurter Rundschau, 3.3.2017.