Es gibt zwei Faktoren, die Britney Spears' Leben leichter machen könnten. Erstens: Wenn ihr Vater nicht mehr ihr Vormund wäre. Und zweitens: Wenn es die Boulevardpresse nicht gäbe. Das entnehme ich zumindest der Dokumentation „Framing Britney Spears", die Anfang Februar von der New York Times veröffentlicht wurde.
Der Film zeigt, wie das Pop-Idol trotz seines Status' ausgebeutet wurde und welche Mediennarrative sich gegen die Sängerin wandten. Spoiler: Es sind so ziemlich alle, die Medien regelmäßig gegen Frauen anwenden. Die Medienwissenschaftlerin Milly Williamson zeigte schon in einem Paper von 2010, dass viele Medien, allen voran Boulevardmedien, immer wieder weibliche Prominente verunglimpfen. Ich möchte in dieser Folge einige der angewandten Narrative, die sich explizit gegen Frauen richten, aufdröseln. Denn leider gab es sie nicht nur in den frühen 2000ern, als Britney Spears noch ein Superstar war, oder in den 2010ern, als das Paper erschien - sie betreffen auch heute noch viele Promi-Frauen.
Milly Williamson beschäftigte sich in ihrem Paper unter anderem explizit mit Britney Spears. Williamson argumentierte, dass die Sängerin stets zwiegespalten gewesen sei: Sie sollte das gute Mädchen von nebenan darstellen - aber auch ein Sexidol. Erst galt sie als Heilige, später als Hure. Spears wurde zum Vorwurf gemacht, dass sie sich im Laufe ihrer Karriere beziehungsweise ihres Erwachsenwerdens (!) freizügiger kleidete und freier mit ihrer Sexualität umgehen wollte. Dieser Fokus der Medien auf Sexualität ist laut Williamson typisch für den medialen Umgang mit Frauen, während männliche Kollegen davon verschont blieben. Über diesen Doppelstandard hat Taylor Swift sogar einen ganzen Song geschrieben. In „The Man" singt sie, dass ihr als Mann vermutlich viele sexistischen Fragen und Vorwürfe erspart bleiben würden.
Von Frauen im Showbusiness wird oft Sexiness erwartet, die sich unter anderem aus der Überbetonung vermeintlich weiblicher Attribute, nackter Haut und/oder freizügiger Kleidung zusammensetzen soll. Das ergab 2015 auch eine Studie zu Popsängerinnen und Sexualisierung. Sobald Frauen aber mit ihrer Sexualität offen umgehen, besteht das Risiko, dass sie für genau die geforderte Sexiness verurteilt werden. So erlebte es beispielsweise auch Sängerin Chloe Bailey Anfang des Jahres. Damals wurde sie für ihr sexy Tanzvideo zur #BussItChallenge gefeiert. Kurz darauf veröffentlichte sie weitere freizügige Bilder und Videos. Viele Medien warfen ihr nun vor, aufreizende Inhalte zu posten - aus Geltungssucht.
2. Untreue und „Homewrecker"
Das ist auch Jahre später noch so: Als Model Chrissy Teigen kurz nach der Geburt ihres zweiten Kindes in einem Restaurant zu sehen war, wurde sie prompt als schlechte Mutter bezeichnet. Ihr Ehemann, der sie begleitet hatte, wurde hingegen nicht angegriffen. Sowieso ist mir kein Fall bekannt, in dem Männer angegangen werden, wenn sie kurz nach der Geburt mal ausgehen. Im Gegenteil: Treten Leistungssportler wie Skispringer Karl Geiger noch kurz vor oder sogar während der Geburt ihres Kindes bei einem Wettkampf an, ist die Sorge eher eine andere: Er habe womöglich wegen des Kindes den Kopf nicht für die WM frei.
Wenn es um die Konstruktion von Konkurrenz geht, muss ich auch immer wieder an den Umgang der britischen Presse mit Meghan Markle denken. Seit ihre Beziehung zu Prinz Harry öffentlich wurde, wurde sie für jede noch so kleine Tat wie den Verzehr von Avocado-Toast kritisiert oder als Goldgräberin oder Möchtegern-Opfer verunglimpft. Immer wieder wurde sie mit ihrer Schwägerin Kate verglichen, wobei die Presse Kate oft favorisierte. „Kate streichelt sich liebevoll den Babybauch" schrieb einmal die Daily Mail. Zu Meghan fragte die Zeitung hingegen: „Warum muss sich Meghan ständig an den Babybauch fassen? Ist es Stolz, Eitelkeit oder Schauspielerei?". Gegenüberstellungen wie von BuzzFeedNews zeigen, dass Kate für ihr Verhalten Lob erntete, während Meghan bei gleichem Auftreten zerrissen wurde.