Cardi B und Megan Thee Stallion haben Geschichte geschrieben. Der gemeinsame Song „WAP" debütierte als erste Zusammenarbeit zweier Rapperinnen auf der 1 der amerikanischen Single-Charts. Seit Veröffentlichung haben Cardi und Megan aber nicht nur den Rekord für die meisten Streams in der ersten Woche gebrochen, sondern auch einen Haufen Köpfe explodieren lassen. WAP steht für „Wet Ass Pussy" und ist eine gut dreiminütige Zelebrierung weiblicher Lust. Mit „Put this pussy right in your face / Swipe your nose like a credit card" - beschreibt Cardi, wie sie oral befriedigt werden will, während sie sich im Video auf dem Boden in einem Haufen Schlangen (Metapher für eine Menge Penisse?) räkelt. Cardi und Megan rappen, in welcher Stellung sie es am liebsten tun und darüber, dass sie dabei so feucht werden, dass danach mit einem Mop aufgewischt werden muss. Das ist explizit, aber nicht anstößig.
Als ich den Song zum ersten Mal gehört habe, fand ich ihn cool, aber nicht ansatzweise schockierend, vor allem wenn man Cardis und Megans Musik kennt. Ich wusste allerdings, dass sich „WAP" gut verkaufen würde. Cardi B und Megan Thee Stallion sind nicht nur megaerfolgreiche Rapperinnen, Cardis Team beherrscht Promotion auch meisterhaft, das Video wurde zudem von dem profilierten Musikvideo-Regisseur Colin Tilley gedreht. Was mich überraschte, war der Aufschrei, der durch den Songs ausgelöst wurde.
Der rechtskonservative Kommentator Ben Shapiro widmete „WAP" eine ganze Ausgabe seiner Videoshow. Sichtlich verwirrt und angewidert rezitierte er den Songtext. „Leute, das ist also, wofür Feministinnen gekämpft haben", spottete er in ironischem Ton. Er verkennt dabei, dass Feminist*innen in der Tat für sexuelle Selbstbestimmung kämpfen. Der Republikaner James P. Bradley sagte, er wolle sich die Ohren mit Weihwasser ausspülen. DeAnna Lorraine, ebenfalls Republikanerin, bezeichnete den Song als „100-jährigen Rückschlag für den Feminismus" und „abscheulich".
Der Fall „WAP" wurde auch zum Politikum, da mit Cardi B und Megan Thee Stallion zwei Schwarze Frauen rappen und im Musikvideo freizügig ihr bestes Leben leben. Gerade Schwarze Frauen sind durch Kolonialismus, Sklaverei und Kriege historisch Ausbeutung, aber auch Fetischisierung ausgesetzt. Heutige Stereotype basieren nämlich oft auf dem Narrativ der „Jezebel", dessen Ursprung der Rassismusforscher David Pilgrim in der Sklaverei verortet. Das Stereotyp der angeblich sexhungrigen Schwarzen Frau wurde von weißen Männern angewandt, um Missbrauch und Vergewaltigungen der Sklavinnen zu rechtfertigen. Die Sklaverei ist abgeschafft, aber die Stereotype wie auch „misogynoir", also Misogynie gegen Schwarze Frauen existieren weiter.
Ähnlich wie Tänzerinnen, die wir aus dem Hintergrund in Rap-Videos von männlichen Rappern kennen, sind Cardi und Megan in ihrem Video sexy gekleidet. Doch im Gegensatz zu den Tänzerinnen, dominieren sie den Blick und den Bildschirm. Sie umgarnen keinen Mann - sie umgarnen sich selbst. Die Empörung überrascht mich aber nicht nur deshalb, weil ich sie nicht gerechtfertigt finde. Sondern auch, weil es nichts Neues ist, dass Frauen explizit über ihre Lust rappen. Ein kleiner Streifzug:
Schon in den 1980ern rappte die Gruppe Salt-N-Pepa in „Shake Your Thang" darüber, wie sie Spaß beim Tanzen hatten und dafür angestarrt und als Freaks und billig bezeichnet wurden. 1991 erschien mit „Let's Talk About Sex" ein Song, der für einen offenen und ehrlichen Umgang mit Sex und den eigenen Bedürfnissen warb. Lil' Kims und Foxys Debütalben „Hard Core" und „ll Na Na" gelten als Wegbereiter für sexuell explizite Songs aus weiblicher Sicht. Und Ende der Neunziger trat Missy Elliott auf die Bildfläche. In einem Paper von 2013 argumentiert die Forscherin Theresa Renee White, dass Missy Elliott durch ihre Texte, die Wahl ihrer Kleidung und ihre Selbstpräsentation, männliche Dominanz und die Stereotype über Schwarze Frauen infrage stellt. Songs wie „Get Ur Freak On" oder „Work it" empowern Frauen, ihre Sexualität und Bedürfnisse ohne Scham auszuleben.