Einer der meist diskutierten Impulsvorträge beim Praxis-Forum in Köln kam von Raphael Brinkert aus der Werbebranche. Der Mitinhaber und Gründer von Jung von Matt/sports, Deutschlands meist ausgezeichneter Sportmarketingagentur, arbeitete in seinem halbstündigen Vortrag heraus, an welchen Stellen die Marketingideen des Handballs funktionieren - aber vor allem, an welchen Stellen nicht. Der, wie er selbst von sich sagt "einer der größten Kritiker des Establishments zu sein" ist sich sicher, dass für die Zukunft der Sportvielfalt in Deutschland alle mehr tun müssen. Das verdeutlichte er nicht nur am Rückgang der Mitgliederzahlen in Handballvereinen. Eins der größten Probleme des Handballsports sieht Brinkert im demografischen Wandel.
Nach König Fußball ist laut Brinkert die zweitbeliebteste Mannschaftssportart in Deutschland "Sonstiges" und nicht etwa Handball. "E-Sports und Co. hängen den Handball gerade ab. Und da geht es um Millionenverträge, von denen der Handball nur träumen kann", erklärte der Werbefachmann, um hinterherzuschieben: "Wo gebe ich als Unternehmen also in Zukunft mein Geld hin?"
Trotz sportlicher Erfolge der Nationalmannschaft sei "der Trend nicht der Freund des Handballs". Denn aktuell stütze sich die Vermarktungsstrategie im Handball auf die Ist-Verwenderschaft, die zum Teil schon über 50 Jahr alt ist. "Das ist eine kaufkräftige Zielgruppe mit einem überdurchschnittlich hohen Nettohaushaltseinkommen", erklärt Brinkert. Dennoch sieht er die Zukunft des Handballs nicht in dieser Zielgruppe. "Ich liebe den Handballsport und freu mich sehr, wenn ich bei einem Bundesliga-Spiel zu Gast sein darf", stellte er voran, bevor er hinzufügte: "gleichzeitig habe ich das Gefühl beim Blick ins Publikum nicht selten beim Senioren-Tanz zu sein, statt bei einer Top-Sportart der Gegenwart oder Zukunft".
Andere Vermarktungswege und Strategien müssen für den Handball gefunden werden, sonst bleibe man auf der Stelle stehen. "Wir reden nicht nur davon, jetzt und morgen volle Hallen zu haben, sondern auch in die Zukunft zu investieren. Wir müssen neue und junge Zielgruppen für diesen fantastischen, elektrisierenden Sport begeistern." Man müsse, so Brinkert, die Menschen erreichen und dafür interessieren, was die Protagonisten aus diesem Sport machen. "Wir haben im Moment zwei Protagonisten, die in ganz Deutschland bekannt und geschätzt sind: Heiner Brand und Stefan Kretzschmar. Dann kommt nichts. Das ist, als würde der Fußball ganztägig mit Paul Breitner und Jürgen Klinsmann werben. Funktioniert bei der Ist-Verwenderschaft, aber nicht bei neuen Zielgruppen."
Am Beispiel der Kampagne "Es lebe der Sport" arbeitete Brinkert verschiedene Punkte ab, die ihn bei sonstigem Gattungsmarketing stören. "Wir feiern zwar den Sport. Sollten wir aber nicht den Handball feiern? Also den Handball-Sport?", fragt er provokativ in die Runde. "Ist der Fußball Freund oder Feind von uns? Ich würde ihn lieber als Freund haben. Gerade wenn ich bei Sky von "Transfereffekten" profitieren kann. Handball muss es gelingen die Einzigartigkeit des Sports durch Kommunikation der eigenen Vorteile zu kommunizieren. Ein Beispiel: Beim Fußball erlebe ich vielleicht zwei, drei Mal im Jahr ein Spiel, was in den letzten Sekunden entschieden wird. Beim Handball erlebe ich das fast täglich."
Auch in der Kommunikation müsse der Handball diese Faszination kommunizieren. "Handball hat so viele Protagonisten, so viele Charaktere, die einzigartig sind, diese noch stärker hervorzubringen ist notwendig", erklärte Brinkert. "Die Handball-Kommunikation sehe ich auf Handball-Seiten, in Handball-Magazinen. Das war´s. Wir machen eine Loyalisierungskampagne aber keine Eroberungskampagne. Wir müssen doch erobern", appellierte Brinkert. "Wir brauchen Mut und Media - auch außerhalb unserer schon vorhandenen Märkte. Daran krankt der gesamte deutsche Sport. Die Diskussion haben wir in fast jeder Sportart in Sportdeutschland. Bei jedem Euro, den Sie haben, sollten Sie überlegen: Loyalisieren oder erobern? Ich würde 100 Prozent auf erobern gehen, wenn ich nur einen Euro habe. Kaum ein Sport elektrisiert als Sportart so, wie der Handball. Und deswegen lasst uns gemeinsam um die Zukunft des fantastischen Sports kämpfen", so Brinkert, denn "Life is fast. Handball can be faster."