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Raus mit der Sprache

Zu den vielen Entzauberungen des Erwachsenwerdens gehört der Gang zum Briefkasten. Statt Urlaubskarten von Freundinnen oder einem Zwanni von Oma liegt plötzlich Post vom Amt drin. Und die hat es in sich. Mit jedem Brief kommt kurz die Furcht hoch, etwas falsch gemacht zu haben. Und dann ist da noch der Frust darüber, wie diese Schreiben verfasst sind: Gesetzesparagraf mal Fachwort mal Schachtelsatz. Eine hochachtungsvolle Amtlichkeit, die kaum Verben kennt und noch weniger direkte Ansprache.


Dabei muss man verstehen, was Behördenpost von einem verlangt, um überhaupt seine Rechte wahrnehmen zu können - ob es nun darum geht, BAföG zu beantragen oder bei der Steuer zu viel gezahltes Geld zurückzubekommen. In demokratischer Hinsicht ist die Behördenkommunikation deshalb mindestens fragwürdig, findet Christine Möhrs. Sie ist Sprachwissenschaftlerin und leitet am Leibniz-Institut für Deutsche Sprache den Arbeitsbereich „Verständlichkeit von Verwaltungssprache". „Behörden sollten sich bewusst sein, dass sie eine Barriere aufbauen und Menschen mit dem Beamtendeutsch ihre Rechte verwehren können", sagt Möhrs. Und das betrifft einen Großteil der Bevölkerung: Wer nicht täglich mit Rechtssprache zu tun hat, sitzt ratlos vor den Briefen.


Die Behörden tun sich auch selbst keinen Gefallen, meint Matthias Kleindienst, Sprecher des Jobcenters in Nürnberg. „Der Kunde ruft uns dann an, weil er die Briefe nicht versteht, oder er schickt uns das Falsche." Zu komplexe Briefe bedeuten Mehrarbeit für die Ämter, also auch Steuergeld, das woanders nicht ausgegeben werden kann. Dabei sind die Bürgerinnen und Bürger laut einer Großbefragung des Statistischen Bundesamts mit ihren Behörden eigentlich zufrieden. Bemängelt werden vor allem die (fehlenden) Onlineangebote und die Verständlichkeit ihrer Schreiben.


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