Tiermasken, Percussion mit Klobürste und Betonmischeimer aus dem Baumarkt, philosophische Sockengespräche – das alles präsentiert von einer Band, die sich Käptn Peng & die Tentakel von Delphi nennt. Da liegt der Gedanke an einen Kindergeburtstag nicht fern. Wenn man so will, war das Konzert im Ampere auch tatsächlich ein Kindergeburtstag: Die Menge hüpfte und tobte ausgelassen wie die Bälger, die Band wirbelte im Kreis und schenkte München im ausverkauften Haus einen unvergesslichen Abend voller Herz und noch mehr Hirn.
Doch von Anfang an: Den Auftakt des Budenzaubers machte die gebürtige Israelitin und Wahlberlinerin Ofri Brin – ebenfalls Künsterlin des hauseigenen Peng-Labels Kreismusik. Ursprünglich Teil des Jazzpop-Duos OFRIN war sie an diesem Dienstagabend solo, gefühlt aber füllte die rothaarige Piratin mit eindringlicher Stimme, Soundmaschine, wirbelnder Haarmähne und vollem Körpereinsatz die Bühne souverän wie eine ganze Kombo. Eine überzeugende One-Woman-Show!„I’m here to warm you up“, so ihr erklärtes Ziel.
Aufwärmen war spätestens mit Erscheinen von Käptn Peng, seinem Bruder Shaban und den Tentakeln von Delphi nicht mehr nötig. „In 2 Minuten wird euch der Verstand zerfetzt und neu instand gesetzt, mit Sirup überzogen und in Brand gesetzt“, skandierte der Käptn in seinem Auftaktlied „Absolem“. Die Menge fing sofort Feuer und nahm dankbar die großzügig von der Bühne herab verteilten Wasserflaschen entgegen. Dabei ist der Münchner gemeinhin nicht so schnell zu begeistern – man möge mir diese Aussage verzeihen. Erfahrungsgemäß lässt sich das lokale Publikum gerne erst überzeugen und behält sich zunächst ein Quäntchen Skepsis im Hinterkopf. Sicher ist sicher.
Warum es an diesem Abend dennoch gleich gefunkt hat? Vielleicht weil die Berliner so authentisch sind. Auch wenn sie ihre Gesichter zu Beginn hinter Tiermasken verbargen, müssen und wollen sie sich nicht verstecken oder verstellen. Sie wollen Spaß bereiten und freuen sich augenscheinlich, wenn ihre Gäste sich freuen. Das macht sie so sympathisch. Auch sind sie nicht perfekt. Selbst bei Texthängern oder zweimalig gerissenen Gitarrensaiten bleiben sie locker und spontan. So ist das Leben eben! Aber in erster Linie sind sie klug. Von wegen „Sprache nervt“. Worte sind das Elexier des Käptn Peng, er ist Meister der Sprache, spielt mit den Wörtern, zerpflückt das Alphabet, um es in nächster Sekunde wieder überraschend neu zusammenzusetzen.
„Wir können nicht ermessen, was der Geist erschaffen kann. Wir können nicht erschaffen, was der Geist erfassen kann. So vermessen wir vermessen nur, was man begaffen kann. Und können nicht erfassen, was den Geist erschaffen kann.“
Solch einen Text wie in „Keine Ahnung“ muss man sich erstmal erschaffen. Vor allen Dingen als Redakteur sieht man sich mit der Frage konfrontiert, warum unsereins nicht mit einer derart ausufernden Wortgewandtheit gesegnet ist. Auch stellt sich die Frage, woher die Bandmitglieder über Einsichten und Erfahrungen verfügen, die der Großteil der Menschen – wenn überhaupt – erst im hohen Alter erlangt. So viel Grips, Humor und sprachgewaltige Zungenfertigkeit verdienen die Begeisterung des Abends – zugegebenermaßen aber auch ein bisschen Neid.
Das Beste aber: Die Musik groovt! Die Masse zappelte zum Beat, und – man mag es kaum glauben – sang lautstark mit. Und dies, obwohl das neue Album „Expedition ins O“ gerade einmal seit einer Woche auf dem Markt ist. Respekt! – der Käptn Peng & den Tentakeln wie auch dem Publikum in jedem Fall gebührt.
TEXT: Mirjam Karasek