Im vergangenen Jahr feierte das internationale Kreuzberger Jazzfestival Premiere und kann sich über einen schlechten Start nicht beschweren: Knapp 10.000 Menschen besuchten die Konzerte von 48 Bands. Geschäftsführer Florian Burger kann es bis heute kaum glauben: „Das XJazz war zu Beginn deutlich kleiner angedacht, doch hatten wir schnell ein unglaubliches Line-Up zusammen. Die Bands waren sogar bereit, ein gewisses Risiko in Kauf zu nehmen, da wir ohne Sponsoren oder Fördergelder gestartet sind. Es war ein wahnsinniges Gefühl, diese Zustimmung aus der Szene zu bekommen.“
So viel Zustimmung hängt mit den Standortbedingungen zusammen. Berlin gilt als europäisches Jazz-Mekka. Daher ist auch 2015 die lokale Jazz-Szene tonangebend, 75 Prozent des Line-Ups sind Künstler aus der Hauptstadt. Das ist bei einem Festival dieser Größe wohl einmalig.
Lebendige Szene aus Israel
Stark vertreten ist in diesem Jahr außerdem Israel, denn das Festival will anlässlich des 50. Jahrestags der diplomatischen Beziehungen zwischen Israel und Deutschland eine kulturelle Brücke schlagen. Besonders aus Tel Aviv sind einige hochgehandelte Acts angereist. Sebastian Studnitzky, künstlerischer Leiter des Festivals, sieht viele Berührungspunkte zwischen Israel und Berlin, beide Szenen zeichnen sich durch ihre Lebendigkeit und Internationalität aus. „Viele der israelischen Musiker haben im Ausland studiert und sind in den urbanen Szenen weltweit gut vernetzt.“ In Berlin gäbe es eine israelische Jazz-Szene, die sehr präsent und aktiv sei. Aus der internationalen Begegnung und dem Kontakt mit lokalen musikalischen Einflüssen ergäben sich neue Anstöße und an diese gälte es nun anzuknüpfen, so Studnitzky. Im kommenden Oktober wird in Tel Aviv ein weiteres XJazz stattfinden.
Das Überwinden von Grenzen ist nicht nur geografisch kennzeichnend für den gegenwärtigen Jazz. Auch stilistisch prägen Fusion und Horizonterweiterung aktuell das Genre, das viele Menschen immer noch – zu Unrecht – als unzugänglich und überintellektuell empfinden. Dabei hat sich Jazz längst aller puristischen und akademischen Korsagen entledigt und dreht sozusagen frei: Für die Berliner Szene beispielsweise ist elektronisch improvisierte Musik von großer Bedeutung. Doch auch neue klassische Musik und Singer-/Songwriter finden eine künstlerische Heimat im Jazz. Studnitzky sieht in der Präsentation dieser musikalischen Vielfalt das Ziel des Festivals XJazz. Und in der Offenheit zu angrenzenden Genres die Chance, neues Publikum zu gewinnen. „Wir konnten im letzten Jahr viele Besucher begeistern, die zuvor noch nie etwas mit Jazz am Hut hatten. Wir wollen Neugier wecken auch jenseits großer Namen.“ Florian Burger pflichtet bei: „Es war toll zu sehen wie der Technonerd neben dem Hochschullehrer steht und sie sich gemeinsam ein junges Berliner Jazztrio anschauen.“
Dem Jazz ist das Aufbrechen von Grenzen eigen. Aus diesem Grundgedanken erfolgte auch die Zusammenarbeit mit der zeitgleich stattfindenden re:publica, dem jährlichen Convent der digitalen Gesellschaft. Gemeinsam mit den Festivalpartnern Berlin Music Commission, dem all2gethernow e.V. und dem Reeperbahn-Festival wird im Rahmen der re:publica am 7. Mai der „re:cord music day“ als Netzwerkplattform stattfinden, bei der sich auch die Berliner Jazzszene präsentieren wird.
Spezieller Vibe
Neue Konstellationen ergeben sich unter den Künstlern, zahlreiche Projekte wurden eigens für das XJazz initiiert. So freut sich Sebastian Studnitzky besonders auf das Kutiman Orchester, bei dem der israelische Youtube-Star Kutiman seine Band um einige Berliner Musiker erweitert hat, darunter Soul-Queen Joy Denalane. „Beim Songwriter Orchestra werden vier ganz unterschiedliche Singer/Songwriter auf ein größeres Ensemble mit Streichern treffen. The Apples und das Buttering Trio sind tolle Bands, die wir im Herbst auf einem Festival in Tel Aviv entdeckt haben“, so Studnitzky. Einzelne Acts herauszugreifen, fiele angesichts des bunten Line-Ups jedoch schwer. Und so weist Studnitzky auf die zahlreich vertretenen „heißen Bands aus Berlin hin“ und betont, dass gerade „die vielen kleinen Konzerte mit jungen und neuen Bands den speziellen Vibe des Festivals ausmachen.“
Alle Konzertstätten sind untereinander fußläufig erreichbar: Neben den bereits 2014 bespielten Clubs wie Bi Nuu, Fluxbau, Privatclub und Monarch wird diesmal auch das Lido bespielt. In der Emmaus Kirche finden zudem feine akustische Konzerte statt. Weitere Clubs und Bars wie das Prince Charles, der Auster Club oder das Wendel werden in das Rahmenprogramm eingebunden.
XJazz-Festival, 7. bis 10. Mai. Alle Orte, Programm und Tickets unter www.xjazz.net
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