Der Berliner Michael Hatzius hat es mit der „Echse“ vorgemacht: Puppenspiel kann weit mehr sein als traditionelles Kindertheater. Aus dem Dialog zwischen Spieler und Puppe kann Dynamik und Aberwitz entstehen, der das Format hin zu Comedy und anderen Kunstformen öffnet. Und dass Puppenspiel nicht einfach Kinderkram, sondern intelligente und subversive Erwachsenenunterhaltung bedeuten kann, beweisen eine ganze Reihe von Berliner Bühnen.
Hiesige Poetry-Slam-Szene
Dennoch ist das Puppenspiel noch in der Nische angesiedelt. Das Klischee vom „Kasperletheater“ ist eben, was die meisten Klischees sind: langlebig. Die junge Autorin Jana Heinicke, 2013 mit ihrem ersten Jugendbuchmanuskript „Apfelschorle in Honolulu“ für den Goldenen Pick und den Peter-Härtling-Preis nominiert, möchte das ändern. Seit 2009 bereist die gebürtige Berlinerin Spoken-Word-Bühnen im gesamten deutschsprachigen Raum, tritt als Poetry Slammerin unter ihrem Pseudonym Jana Klar auf und gibt an Schulen Workshops für kreatives Schreiben. Nun möchte sie mit dem Puppetry Slam ein neues Bühnenformat in Deutschland etablieren. Der ideale Standort für den Staffellauf ist Berlin, denn die hiesige Poetry-Slam-Szene ist die größte hierzulande, und das Publikum gilt als neugierig und aufgeschlossen. Warum also nicht das Format auf das Puppenspiel übertragen?
Die Idee kam Heinicke Anfang 2014, als sie mit einer Puppenspiel-Studentin der Schauspielschule „Ernst Busch“, an der übrigens auch Michael Hatzius sein Handwerk gelernt hat, über das Genre sprach. Puppenspiel, erfuhr sie, kann Schattenspiel bedeuten, Masken- und Objekttheater, Comedy, Kabarett, Bühnenkunst für alle Altersschichten. Heinicke war fasziniert und suchte nach einem Weg, Erwachsene „auf die Vielschichtigkeit und den wahnsinnigen Ideenreichtum dieser Kunstform aufmerksam zu machen“. Das Slam-Format schien ihr wegen seines „Wundertüten-Image“ und seiner Anpassungsfähigkeit ideal.
Rasch stellte sie fest, dass die Idee nicht neu ist. In den USA sind Puppetry Slams seit den 1970er-Jahren etabliert, inzwischen finden jährlich Meisterschaften statt. Mit dem Begriff „Poetry Slam“, den der Urvater des Genres Marc Kelly Smith 1986 in Chicago prägte, kamen auch die Wettkämpfe, bei denen Puppenspieler auf Zeit um die Gunst des Publikums gegeneinander antreten, zu ihrem griffigen Namen.
Drollig-debiler Maulwurf
Dank der Initiative von Heinicke kommt das Format nun nach Berlin. Als Co-Moderator der Premiere konnte sie René Marik gewinnen. Marik ist Diplom-Puppenspieler, WG-Mitbewohner von Liedermacher Rainald Grebe und nicht zuletzt in Kombination mit seinem drollig-debilen Maulwurf ein Star der Puppenspielszene. Heinickes Traum wäre es, das Format dauerhaft zu etablieren. „Vielleicht alle zwei Monate als Open Stage, die jedem interessierten Puppenspieler offen steht“, hofft sie. Doch das ist Zukunftsmusik.
Die Gegenwart heißt Herzblut, ehrenamtliches Engagement aller Beteiligten und die Hoffnung darauf, dass die Premiere zündet und auf große Publikumsresonanz stößt. Die Schauspielschule „Ernst Busch“ und das Spoken-Word-Festival „No Strings attached“ aus Mainz unterstützen Heinicke in diesem Ziel. „Für die Premiere wünsche ich mir, dass es uns gelingt, die Freude, die wir für die Sache empfinden, zu transportieren und die Bühne mit geballtem Elan abzufackeln. Und natürlich hoffe ich, dass das Publikum den Abend genauso genießen wird wie wir“, beschreibt Heinicke ihre Wünsche für das erste Mal. Und was erwartet die Besucher? „Das weiß man beim Slam nie so genau – und erst recht nicht beim Puppetry Slam“, erklärt sie. „Ich kann aber sagen: Die Künstler verfolgen die verschiedensten Ansätze. Es wird eine Schattenwand-Nummer geben, es wird mit Puderzucker gestreut, mit Masken, Objekten und Puppen gespielt, es wird Schweiß und Herzblut tropfen und in Dialekten gesprochen“, also die ganze Vielfalt des Genres vor dem Publikum entfaltet, welches mit Hilfe hübscher Buttons, die man mitnehmen darf, den Sieger küren wird.
Acht Puppenspieler werden in jeweils sieben Minuten um die Gunst der Zuschauer kämpfen. Mit Katharina Halus (Salzburg), Eva Vinke (Leipzig) und Dietmar Bertram (Mainz) gehen drei auswärtige Künstler ins Premierenrennen, Clara Fritsche, Caspar Bankert, Kaspar Weith, Temye Tesfu und Gloria Iberl-Thieme stehen für Berliner Kolorit. Beginn ist diesen Sonntag um 20 Uhr im Supamolly, Jessnerstraße 41 in Friedrichshain. Über den Sieger des Abends und auch die Zukunft des Formats entscheidet das Publikum.
Infos unter: www.puppetryslam.de
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