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Reportage

Die Superfans der Superstars

Sie werden angehimmelt, sind super erfolgreich und besitzen schon lange vor
ihrem 18. Lebensjahr ein prall gefülltes Konto. Zudem sind sie jung, gutaussehend und an Kuscheltieren fehlt es ihnen nie. Die Rede ist von Teeniestars wie Tokio Hotel, Justin Bieber oder früher auch Take That. Aber warum? Was macht die Stars so begehrenswert? Und wie weit gehen ihre Fans, um ihnen einmal hautnah zu sein? Die f79-Reporterinnen Minusch Afonso und Jana Kurz haben sich in der Szene umgesehen und auch mit Roger Haß, der
als Security solche Superfans live erlebt hat, über das Phänomen gesprochen.Fans können einfach nur verrückt sein. Das erlebte etwa die britische Band JLS, für die sich
ein Fan komplett als Geschenk verpackte, um von der Post bei der Band abgeliefert zu werden. Fans von Bruno Mars ließen sich das Albumcover seiner
ersten CD „Doo-Wops & Hooligans“ als Tattoo stechen. Viel Erfahrung im Umgang mit Fans hat der 49-jährige Roger Haß gesammelt. Der technische Leiter für Veranstaltungstechnik arbeitet bereits seit über 25 Jahren als Security und war so schon auf Konzerten von Bands wie Tokio Hotel oder Take That im Einsatz. „Den größten Kreischalarm lösen
definitiv Boybands aus“, weiß er aus Erfahrung zu berichten, „seltsamerweise sind die Fans bis zum Einlass ganz ruhig – sobald sie aber eine Kamera sehen oder in die Halle dürfen, werden sie hysterisch.“ Bedauerlicherweise geht es nicht immer harmonisch zu, die Anhänger möchten in der ersten Reihe stehen, ihren Star so nah wie möglich erleben. Dazu campieren sie schon Tage vorher vor den Konzerthallen, übernachten in Autos oder
draußen auf dem kalten Boden. „Essen und Trinken bleibt da auf der Stecke, sonst würden ja die guten Plätze in der Halle verloren gehen“, erzählt Haß kopfschüttelnd, „viele junge Fans kippen aufgrund dessen um und erleben die Konzertnacht dann im Krankenhaus.“
Bei einem Einsatz in einem kleineren Club in Berlin musste der Sicherheitsmann einmal miterleben, wie ein Mädchen von anderen Fans niedergetrampelt wurde. Glücklicherweise erlitt sie keine schlimmen Verletzungen, dennoch findet er dieses Verhalten sehr unmenschlich und unangebracht. Und manche Fans gehen sogar noch weiter.
Das zeigt etwa der Fall von Beatles-Star John Lennon, der 1980 von einem geistig verwirrten
Anhänger erschossen wurde. Der Straftäter sitzt heute noch im Gefängnis, wo er Morddrohungen und Hassbriefe von Lennon-Fans erhält. Ab wann sollten sich Freunde, Bekannte oder Eltern Sorgen machen? Schnell kann aus der harmlosen Schwärmerei auch eine fast krankhafte Besessenheit werden. Nämlich dann, wenn man sich mit nichts anderem mehr beschäftigt und vielleicht sogar anfängt, sich ins Privatleben des Stars einzumischen. Immer wieder verlieben sich Teenager, vor allem junge Mädchen, in ihr Idol und bilden sich zudem ein, dass diese Liebe auf Gegenseitigkeit beruht. Eine Teilschuld daran tragen auch manche Medien, die Stars oft als perfekt darstellen. Da fällt es jungen Leuten leichter, sich in
sie zu verlieben und sich Illusionen zu machen. Das ist ein Grund, warum Stars oft unter dem Phänomen Stalking leiden. Stalking bedeutet, einer Person über längere Zeit bedingungslos aufzulauern und sie zu verfolgen. Das Problem kennt auch Justin Bieber, dessen Fans seiner Freundin Selena Gomez bereits Morddrohungen geschickt haben. Sie hoffen, selbst eine Beziehung mit Justin führen zu können. Dass sie damit dem Jungstar keinen Gefallen tun,
ist diesen Mädchen allerdings nicht bewusst. Ebenso wenig wie die Tatsache, dass Selena nun unter Todesangst leidet. Für alle, die unter der unerfüllbaren Liebe zu einem Star leiden,hat Haß, der früher selbst Mitglied einer kleinen Rockband war, noch einen
kleinen Trost: „Wenn sie älter werden, werden Fans auch vernünftiger.“ Viele frühere Fans sind inzwischen verheiratet und haben Kinder. Aber sie besuchen auch heute noch die Konzerte ihrer Idole: „Schließlich sehen die eigenen Ehemänner
längst nicht so toll aus wie die Superstars aus Jugendzeiten.“ Träumen bleibt also erlaubt.

f79 // 12.11


Text // Minusch Afonso, Jana Kurz