Wie die Welt über das Coronavirus spricht, zeigt Rassismus gegenüber asiatischen Menschen, sagt die Journalistin Minh Thu Tran. Teilweise kann sie die Angst vor dem Virus nachvollziehen, aber nicht, wenn Klischees aus der Kolonialzeit befeuert werden.
Seit Tagen berichten Asiatinnen und Asiaten weltweit von Beschimpfungen und Diskriminierung im Zusammenhang mit dem Coronavirus und wehren sich mit dem Twitter-Hashtag #IAmNotAVirus oder #JeNeSuisPasUnVirus dagegen. In einem Asia Supermarkt in Köln soll eine Mutter beim Betreten des Ladens ihre kleine Tochter aufgefordert haben, sich einen Atemschutz vor Mund und Nase zu ziehen. Das Mädchen fragte darauf, ob denn alle Chinesen krank seien. So berichten es die Betreiber des Supermarktes und überschrieben einen Facebookpost dazu mit der Aussage: "Wir sind nicht das Virus!"rbb: Ist das mit dem Kölner Asia Supermarkt ein
besonders krasses oder eher ein typisches Beispiel für das, was Asiaten
und asiatischstämmigen Menschen gerade passiert?
Minh Thu Tran: Das ist ein absolut typisches Beispiel. Mir berichten Freunde und Bekannte zum Beispiel von Arztbesuchen, wo sie in Wartesälen feindlich angeschaut und von öffentlichen Räumen ausgeschlossen werden. Also ja: Das ist ein typisches Beispiel dafür, was viele Asiaten und Asiatinnen gerade jeden Tag erleben.
Ziehen sich die anderen Menschen eher zurück oder gibt es auch Beschimpfungen?
Es gibt auch Beschimpfungen, blöde Sprüche. Oder Kollegen, die tatsächlich zu asiatischen Menschen sagen: 'Haha, warst du jetzt auch in Asien, hast du jetzt das Coronavirus? Oder: 'Kann ich das essen oder kriege ich davon das Coronavirus?', wenn sie asiatische Speisen mitbringen. Viele asiatische Menschen haben ja auch eigene Betriebe, und die sagen sogar, dass die Kunden nicht mehr kommen.
Menschen zu beschimpfen, geht natürlich nicht. Aber auch dieses Wegdrücken geht eigentlich nicht, doch da ist bei vielen Menschen bestimmt auch Unwissenheit und Angst. Was kann man dagegen machen?
Naja, was kann man dagegen machen? Eigentlich nur, darüber zu sprechen. Aus einer menschlichen Perspektive kann ich ja verstehen, dass man Angst vor dem Coronavirus hat. Das ist ein neues Virus, man weiß noch nicht viel darüber. Man wusste am Anfang auch nicht genau, wie sich das Virus verbreitet. Und dann finde ich das schon eine sehr menschliche Reaktion, dass man erstmal ein bisschen Panik hat.
Was aber nicht geht, ist, dass man einfach alle asiatisch aussehenden Menschen unter Generalverdacht stellt. Viele asiatische Menschen hier in Deutschland waren seit zig Jahren nicht in Asien. Wenn man sich allein schon die Zahlen anguckt: Es sind zwar jetzt schon zehntausende Menschen infiziert. Aber wenn man das in Relation zur gesamten Bevölkerung in China setzt, sind das 0,01 Prozent.
Menschen wegen ihres Aussehens brandmarken - das ist dann ja schon Rassismus.
Auf dem aktuellen "Spiegel"-Titelbild ist die Zeile "Corona-Virus: Made in China" zu lesen. Darauf ist ein Mensch zu sehen, der einen Schutzanzug anhat, eine Schutzbrille, eine Atemmaske und Kopfhörer trägt. Wo fängt bei diesem Thema für Sie Rassismus an?
Es fängt überall da an, wo durch diese plakativen Titel suggeriert wird, dass alle asiatischen Menschen eine Verbindung zu diesem Coronavirus hätten. Die "Bild" zum Beispiel hatte auch getitelt: "So kam das Coronavirus zu uns" - und als Bebilderung wurde einfach eine asiatisch anmutende Familie am Essenstisch gezeigt. Es gab auch andere Titel, die noch plakativer waren. So was wie: Dürfen wir Pakete aus Asien überhaupt noch annehmen? Oder dürfen wir überhaupt noch Glückskekse essen? Da wird suggeriert, dass alles, was irgendwie in irgendeiner Weise asiatisch wäre, vielleicht eine Verbindung zum Coronavirus hat. Und das schürt natürlich Ressentiments bei der Bevölkerung.
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