Kloppe von Comic-Helden bekommt man nicht alle Tage auf Konsole. Und noch seltener gut. Capcoms Kult-Crossover Marvel vs. Capcom stellt sich im dritten Teil an, diesen Kiefer wieder zu verrücken. Wer auf die schnelle Nummer Zwischendurch steht, riskiert einen Blick.
Noch nie eine "Astral Heat" in BlazBlue geschafft, Kazuya keine Kombo über fünf Treffer entlockt und regelmäßig an Guiles Supermove verzweifelt? Macht nichts, Marvel vs Capcom 3 - Fate of Two Worlds schickt sich an, auch denen ein kämpferisches Erfolgserlebnis zu bescheren, die Knopf-Legastheniker oder Anleitungs-Verweigerer sind.
Die durchgedrehte Action machte schon den pixeligen 2D-Vorgänger Marvel vs Capcom 2 aus dem Jahr 2000 zum Kult in der Prügelgemeinde, wurde schließlich sogar im Xbox-Live- und PlayStation-Store veröffentlicht. Trotz steter Weiterentwicklung des Genres ist er auch heute noch für eine launige Runde gut - das muss der neue Teil erst mal nachmachen.
Comic-Fachidioten legen für dieses Prügelspiel gerne das Heftchen zur Seite, denn der Titel suggeriert es dezent: Das Kämpferfeld ist ein wilder Mix aus Marvel- und Capcom-Charakteren. Logik bei der Auswahl? Nicht vorhanden. Natürlich gibt es die üblichen Verdächtigen, die ihr Abo-Ticket für jedwede Handkantenveranstaltung gelöst haben. Das Street Fighter-Lager ist wie immer stark repräsentiert. Ryu und Chun Li sind ebenso mit im Boot wie Dämon Akuma. Immerhin hat Capcom darauf verzichtet, die identischen Klone Ken, Sakura etc. ebenfalls mit zu verwursten. Auch den neusten Teilen wurde Rechnung getragen und Profimörderin C. Viper mit zum Kombo-Krawall genommen.
Ebenfalls dabei sind ein paar Recken des sträflich unterschätzten Darkstalkers-Universums, allerdings nur weibliche: Vampirdame Morrigan, China-Geist Hsien-Ko und Katzenmädel Felicia. Soweit erwartete Kost. Die Überraschungen kommen aus Spielen ganz anderer Genres. Griff in Teil 2 Jill Valentine (diesmal nur als kostenpflichtiger Download zu haben) noch zur Wumme, ist diesmal Pumper Chris Redfield auf einer Resident Evil-Außenmission. Ihm ist Boss Wesker gleich mit gefolgt. Aber auch Amaterasu, der weiße Wolf aus dem Kunst-Adventure Okami ist mit dabei. Tron Bonne und Zero aus der Hüpf-Action Mega Man. Sowie Mike Haggar aus dem Klassiker Final Fight und Nathan Spencer aus Bionic Commando . Schon schwindlig von dem Mix? Haltet euch fest, selbst der Kultritter aus Ghosts 'n Goblins, Arthur, hat es ins Spiel geschafft. Neben weiteren Recken aus den Spielen des berühmtesten Beat'em-Up-Lieferanten der Welt.
Dem gegenüber steht eine ebenso üppige Riege an Weltverbesserern und deren Beinstellern. Die meisten Gesichter aus dem Marvel-Lager kennt man aus Verfilmungen und Fernseh-Serien, selbst wenn man nicht auf dem Schulhof als Sonderling galt. Die X-Men Wolverine, Storm, Magneto und Phoenix sowie Iron Man und Spider-Man kamen durch ihre großen Hollywood-Verfilmungen zu neuem Ruhm. Dass es aber neben dem grünen Hulk auch noch eine weibliche Variante gibt - Hand hoch, wer wusste davon? Genau, überschaubare Reaktionen. Besonders spannend spielt sie sich übrigens auch nicht.
Donnergott Thor und der patriotische Captain America haben es ebenso wieder in die Auswahl geschafft wie auch eine kräftige Fiesling-Phalanx. Spider-Man-Widersacher Dr. Doom, Cyborg-Hüne Sentinel und Wasserkopfmonster M.O.D.O.K. schicken sich an, den Helden das Leben schwer zu machen. Wer Skelett Taskmaster und den weiblichen Wolverine-Klon X23 wiedererkennt, darf sich selbst auf die Schulter klopfen und im glorreichen Kennerstatus suhlen. Die meisten anderen werden fragen: "Wer ist denn das jetzt?"
Wenn Virtua Fighter in Sachen Bombast die biblischen sieben mageren Jahre sind, dann ist Marvel vs. Capcom 3 die sieben fetten. Ach was, die 14 fetten! In aus beiden Lagern frei zusammenstellbaren Dreier-Teams haut ihr euch die leuchtenden Superkräfte um die Ohren, bis die Glotze glüht und der kleine Bruder zuckend einem epileptischen Anfall erliegt. Geht ein Recke zu Boden, springt der nächste in den Ring, bis keiner mehr übrig ist. Frei wechseln dürft ihr dazwischen auch.
Auf die Schultertasten gibt es zudem weitere Assistenz von der Ersatzbank: Eine vorher gewählte Aktion wie Feuerball oder Donnertritt wird vom Kumpanen entfesselt, ehe er wieder vom Feld hoppst. Wehe aber, wenn er im Getümmel getroffen wird - der erlittene Schaden zählt dann locker doppelt. Sicherer ist, eine blitzenden Superkombo zu entfesseln. Und weil alles in geselliger Runde mehr Spaß macht, holt ihr auch hierfür eure Kumpanen aufs Feld. Gesetzt dem Fall, dass genug Energie dafür gesammelt wurde. Dann schließlich erkennt man nichts mehr auf dem Schirm, denn gigantomaner Lichtstrahl, ratternde Maschinengewehrsalve und wirbelnde Kick-Kombination füllen den Schirm komplett aus. Übersicht? Wird eh überschätzt.
An der Modi-Front gibt es dagegen übersichtliche Kost. Neben Versus- und Arcade- darf man noch zu Onlineduellen antreten - das war es dann aber auch. Von Street Fighter 4 hat Capcom zudem den Herausforderungsmodus übernommen, bei dem in Mission das Nachstellen verschiedener Manöver und Kombos verlangt wird.
Der Schwierigkeitsgrad zieht allerdings schnell rapide an und der Gelegenheitsspieler wird schon vor der Hälfte der Aufgaben kapitulieren und zurück zum vergnüglichen Chaosgedrücke übergehen. Die absurden Luft-Kombos lassen sich so auch kaum erproben, da empfiehlt sich einfach das bloße Tastengehämmer im Kampfgeschehen. Ist mindestens genauso effektiv. Profis greifen daher zu anderen Spielen.
Die Präsentation des Titanenkampfes lehnt sich nicht nur auswahltechnisch an die Comic-Dimension. Porträts werden in Panels gezeigt, markige Sprüche nach den Kämpfen gibt es in Sprechblasen und die Abspänne sind kleine Bilderstories. Mit Betonung auf klein, denn meist bestehen sie aus höchstens zwei bis drei Standbildern und sind an Dämlichkeit oft genauso mega wie die Kräfte. Da hält sich Capcom an bekannte, wenn auch fragwürdige Traditionen. Die Ausstattung ist aber das Einzige, das an Marvel vs. Capcom 3 minimalistisch ist.
Soloprüglern wird es ob der fehlenden Abwechslung fad, aber besonders zu weit brilliert das Crossover. Die Steuerung lässt auch Supercombos mit kinderleichten Bewegungen ausführen, da braucht man nicht groß Movelisten lesen - von unten nach vorne oder hinten und Angriffstasten dazu, fertig ist's. Wen selbst das überfordert, der geht auf die vereinfachte Steuerung. Chauvinisten mögen behaupten, es ist die Frau gewordene Steuerung, denn durch minimale Koordination lassen sich hier maximale Effektgewitter erzeugen, was die Frustration des Gegenübers wiederum stetig potenziert. Kluge Kämpferinnen beschweren sich zu Recht. Ein Prügeldiplom braucht hier niemand, um schnell was her zu machen. Das Meiste geht von der muskulösen Heldenhand wie Hsien Kos Messer durch warme Butter.
Pro:
- bunte und vielfältige Kämpferauswahl beider Lager
- tolle und konsequent durchgestylte Comic-Optik
- hohes Tempo und stimmige Balance
- einfache Steuerung, für jedermann schnell zu meistern
- Partyspiel für Quereinsteiger
Kontra:
- taktische Tiefe braucht man hier nicht suchen
- Modi-Ausstattung etwas mager instabiler Online-Modus
Präzision? Liegt das bei Brasilien? Nein, liebes Marvel vs. Capcom 3. Das ist genau das, was dir mit deinem bunten Charme abgeht. Wer mit Tiefe kämpfen will und dichte Atmosphäre sucht, der hält sich an Blaz Blue und Konsorten. Dafür gibt es hier die bunteste Prügel-Schlacht seit dem legendären Vorgänger. Auch wenn die Auswahl der Helden stimmig ist, einige Favoriten aus Teil zwei fehlen: Die Marvel-Heroen stehen an Verkloppbarkeit ihren prügelerprobten Capcom-Gegnern in nichts nach, die Welten gehen fließend ineinander über. Das übertriebene Effektgewitter, gerade wenn sich das gesamte Dreierteam zu Ich-baller-und-haue-dich-ins-Jenseits-Superkombos versammelt, verlockt immer wieder zu einer spontanen Runde, die ohne jegliches Einlernen leicht von der Pranke geht. Gerade bei im Handkanten-Genre unerfahrenen Freunden sorgt die Prügelei für offene Münder und schnelle Erfolgserlebnisse. Da lässt sich die magere Ausstattung und der nervige Aufbau des Online-Modus locker verschmerzen. Für Partyprügler ist Marvel vs. Capcom die beste Kombination seit Pommes und Rot-Weiß