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Ägypten im Bann der Gerüchte

Razzien bei Nichtregierungsorganisationen (NGO) und ausländischen Institutionen in Ägypten haben große Empörung ausgelöst. Menschenrechtskämpfer sehen darin einen von der herrschenden Militärjunta gesteuerten Versuch der Einschüchterung. Erneut gibt es Gerüchte über fremde Einflüsse. 

Die Zeitung "Al-Ahram" zitierte General Hassan al-Ruwaini, Mitglied des Militärrats, mit den Worten: "Wenn ich auf dem Tahrir-Platz für Ruhe sorgen will, lasse ich das Gerücht verbreiten, dass der frühere Innenminister verhaftet wurde". Innenminister sind in Ägypten in der Regel so verhasst wie der Polizeiapparat, dem sie vorstehen.

"Ich weiß, wie ich die Demonstranten beruhigen kann, und ich weiß auch, wie ich sie wieder aufstacheln kann", sagt der hohe Militär über den Umgang mit den Protesten und landet damit auf einer Liste der "absurdesten Sprüche" des Jahres 2011. Einer seiner Kollegen hat es ebenfalls in die Liste bizarrer Zitate geschafft, die die Kairoer Zeitung gesammelt hat. "Das Militär kommt aus dem Volk und würde nie auf Zivilisten schießen. Und wenn jemand, der eine Uniform trägt, auf Menschen schießt, gehört er nicht zu unseren Streitkräften."

Ungereimtheiten dieser Art gibt es in Ägypten viele. Dazu gehören auch immer wieder Gerüchte über "fremde Einmischung" in Belange des Landes. So geschehen nach den blutigen Ausschreitungen zwischen Christen und Muslimen im Oktober, während der jüngsten Krawalle auf dem Tahrir-Platz und auch jetzt im Zusammenhang mit der Razzia bei 17 Menschenrechtsorganisationen und ausländischen Institutionen. Begleitet von zahlreichen Polizisten suchten Staatsanwälte am Donnerstag nach Hinweisen, ob die ins Visier geratenen Organisationen ohne Lizenz arbeiten oder ohne Erlaubnis der ägyptischen Behörden aus dem Ausland Geld erhalten.

Ägyptische Menschenrechtler sehen die Aktion als Einschüchterungskampagne. Das Arabische Netzwerk für Menschenrechtsinformationen erklärte, Ziel der Sicherheitsbehörden sei es, Aktivisten einzuschüchtern, die sich gegen Repression und Folter einsetzen. Als rein innenpolitischen Konflikt wertet der in Kairo lebende Geschäftsführer der Deutsch-Arabischen Handelskammer, Rainer Herret, die jüngsten Entwicklungen: "Ein altes Regime, das sich gegen den Wechsel wehrt."

Am 25. Jänner jährt sich der Beginn des Aufstands gegen Hosni Mubarak, der seit 1981 an der Macht war, und Aktivisten rechnen für diesen Tag mit neuen Massenprotesten gegen den regierenden Militärrat. Der machte in der vergangenen Woche kleine Zugeständnisse. So wurden die entwürdigenden "Jungfrauentests" an festgenommenen Demonstrantinnen verboten und etwa 90 Zivilisten aus der Haft entlassen, die von Militärgerichten abgeurteilt worden waren.

Nun schauen alle gebannt auf den 25. Jänner - wohl auch der Militärrat mit seinem Vorsitzenden Feldmarschall Mohammed Hussein Tantawi, der Ex-Machthaber Mubarak zwanzig Jahre als Verteidigungsminister gedient hatte. Auch Tantawi hat es in den Jahresrückblick der absurdesten Sprüche in der Zeitung "Al-Ahram" geschafft: "Ich habe mehr als 40 Jahre gekämpft. Ich werde ein Kämpfer bleiben - für Gott und Ägypten." In Ägypten fragt man sich allerdings, gegen wen er seit Jahrzehnten ankämpft.

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