1992 musste das Bundesverfassungsgericht in einem Urteil klarstellen, dass unter dem Begriff "Mensch" keine Zombies zu verstehen seien, Untote seien vielmehr "menschenähnliche Wesen". Vorher hatten sich die Richterinnen und Richter Sam Raimis Film Tanz der Teufel angesehen. Was war passiert?
Der Klassiker Tanz der Teufel (im Original: Evil Dead) wurde in den Achtzigern in Deutschland Gegenstand einer moral panic. Durch Einführung der VHS-Kassette waren Horrorfilme leichter zugänglich geworden, vielen behagte das nicht. Von "Horror für den Hausgebrauch" sprach etwa die ZDF-Dokumentation Mama, Papa, Zombie, die auf das angebliche jugendgefährdende Potenzial dieser Filme aufmerksam machen wollte. Tanz der Teufel war in dieser Diskussion eines der prominentesten Anschauungsbeispiele. Der sogenannte Skandalfilm begründete eine Reihe, die neueste Interpretation, Evil Dead Rise, ist nun im Kino zu sehen.
In den Achtzigerjahren führte die Diskussion schließlich zur Beschlagnahmung aller Filmkopien durch die Staatsanwaltschaft, was die Verleiher von Tanz der Teufel dazu veranlasste, sich bis vors Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe durchzuklagen. Dort musste der Tatbestand der Gewaltdarstellung gegen Menschen geprüft werden, der Gesetzestext wurde seitdem geändert: Heute ahndet der Paragraf 131 des Strafgesetzbuchs die Verherrlichung von "grausamen oder sonst unmenschlichen Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder menschenähnliche Wesen". Der kuriose Zusatz "menschenähnliche Wesen" ist Tanz der Teufel zu verdanken.
Rückblickend wirkt all das skurril, besonders, weil der nun im Kino erscheinende Evil Dead Rise in seiner Gewaltdarstellung drastischer ist als das Original. Tanz der Teufel sowie die noch von Sam Raimi gedrehten Fortsetzungen Tanz der Teufel 2 und Armee der Finsternis sind heute Klassiker ihres Genres, allerdings weniger wegen ihres Schockfaktors, sondern vielmehr wegen ihres Humors und ihrer Effekte. Zusammen mit seinem komödiantisch talentierten Hauptdarsteller Bruce Campbell entwickelte Raimi eine Kombination aus Splatter und Slapstick, die in Horrorfilmkreisen mit dem Kofferwort "Splatstick" bezeichnet wird.
Diese Kombination liegt eigentlich auf der Hand: Eine Torte im Gesicht funktioniert ebenso wie herumspritzendes Blut, weil Menschen Spaß am Schmutz haben. Auch wenn man Buster Keaton zuschaut, der sich im Laufe seiner Karriere sämtliche Knochen brach, lacht man hier und da aus Schadenfreude. Slapstick ist Körpercomedy, oft auch gewaltvoll. Während Bruce Campbell also mit Flüssigkeiten besudelt wird und ständig auf die Nuss bekommt, fährt Sam Raimi in Armee der Finsternis ganz ohne Computertechnik ganze Armeen reitender Leichen auf, die sich vor den Arbeiten der Stop-Motion-Tricklegende Ray Harryhausen ( Sinbads siebente Reise, Jason und die Argonauten) kaum zu verstecken brauchen.
Ohne Raimi, Campbell und deren besondere Talente bliebe von Tanz der Teufel nicht viel übrig, außer dem wohl generischsten Horrorfilmplot, den man sich vorstellen kann: Eine Gruppe junger Menschen übernachtet in einer Hütte im Wald und weckt dabei versehentlich Dämonen. Die beiden neueren Filme Evil Dead (2013) und nun Evil Dead Rise haben, abgesehen von ein paar Referenzen für die Fans, wenig mit den Vorgängern zu tun. Raimi und Campbell sind nur noch als ausführende Produzenten beteiligt, die Filme schlagen einen deutlich ernsteren Ton an. Mehr noch: Evil Dead Rise spielt nicht einmal mehr in einer Hütte im Wald!
Die Dämonen dringen nun in einen Wohnkomplex in Los Angeles ein und ärgern dort die alleinerziehende Mutter Ellie (Alyssa Sutherland), ihre drei Kinder und ihre schwangere Schwester Beth (Lily Sullivan), die im Laufe des Films zur Hauptfigur wird. Der Ortswechsel verleiht dem Film das nötige Profil für die Vermarktung, allerdings muss sich das Drehbuch auch redlich bemühen, plausibel zu machen, dass die Figuren von der Außenwelt abgeschnitten sind und niemand zu Hilfe kommen kann: Die Nachbaretage steht leer und das Handynetz ist zusammengebrochen, na klar.
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